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24.05.2017

Wasserqualität von Flüssen: Zusätzliche Reinigungsstufen in Kläranlagen lohnen sich

Viele Keime und Spurenstoffe in Abwasser könnten kostengünstig ausgefiltert werden

Die Pulveraktivkohleanlage auf der Kläranlage Langwiese. Zweieinhalb Jahre nach Inbetriebnahme der zusätzlichen Reinigungsstufe wurden im Ablauf der Kläranlage deutliche Verbesserungen der Gewässerqualität festgestellt. Foto: Jutta Schneider-Rapp

Eine zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen könnte mit geringem Aufwand große Mengen an Schadstoffen aus dem Abwasser entfernen und die Wasserqualität von Flüssen deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem von der Universität Tübingen koordinierten Forschungsprojekt. Sie haben im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untersucht, wie effizient weitergehende Abwasserreinigung in Kläranlagen und Regenwasserbehandlungssystemen neuartige Verschmutzungen in Flüssen beseitigt.


Medikamente, Industriechemikalien und Krankheitserreger tauchen in immer größeren Mengen in Flüssen auf, weil die bisherigen Technologien in Kläranlagen diese zu wenig ausfiltern. „Im Durchschnitt können weitergehende Reinigungsstufen über 80 Prozent der Mikroverunreinigungen entfernen und die Anzahl der Keime um mehr als das Tausendfache reduzieren“, macht Rita Triebskorn deutlich, Professorin für Physiologische Ökologie der Tiere an der Universität Tübingen. Für das Projekt SchussenAktivplus untersuchte ein Forschungsteam unter ihrer Leitung von 2012 bis 2016 die Schussen. Der größte deutsche Bodenseezufluss ist durch Landwirtschaft, Industrie und dichte Besiedlung belastet. Die Ergebnisse wurden nun in einem Abschlussbericht sowie einem Praxishandbuch des Bundesministeriums für Bildung und Forschung veröffentlicht.


Bisher arbeiten Kläranlagen in der Regel mit zwei bis drei Reinigungsstufen. Für SchussenAktivplus testeten die Forscherinnen und Forscher den Einsatz zusätzlicher Technologien wie Ozon, Aktivkohle in Form von Pulver oder Granulat sowie Sandfilter. Vor und nach Inbetriebnahme einer Anlage mit einer Pulveraktivkohlestufe prüfte das Team von Rita Triebskorn den Schadstoff- und Keimgehalt, schädliche Wirkpotentiale im Wasser sowie die Gesundheit von Gewässerorganismen, wie Fischen und Flohkrebsen.

Mit welcher Technologie eine zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen künftig arbeiten sollte, ist abhängig von den Standortbedingungen der einzelnen Anlagen. Ozonanlagen beseitigen besonders effektiv Keime und bestimmte Medikamente wie Diclofenac, benötigen aber eine zusätzliche Nachreinigung durch eine Filterstufe. Sie sind empfehlenswert, wenn beispielsweise Badegewässer durch den Ablauf der Kläranlage beeinflusst werden. Aktivkohleanlagen entfernen vor allem Mikroverunreinigungen, zum Beispiel die Industriechemikalie Benzotriazol, das auch in Geschirrspülmitteln zum Einsatz kommt. Im Einzugsgebiet von Naturschutzgebieten oder Trinkwasserreservoirs ist diese Technologie besonders sinnvoll.


An der Pulveraktivkohleanlage in Ravensburg beobachteten die Forscherinnen und Forscher, wie schnell sich ein Gewässer durch den Einsatz der Technologie regenerieren kann: Zweieinhalb Jahre nach Anschluss des Filters zeigten Fische unterhalb der Kläranlage Langwiese weniger Schäden und entwickelten sich besser. Außerdem verbesserte sich die Lebensgemeinschaft der auf dem Gewässerboden lebenden wirbellosen Tiere. Es kamen insgesamt mehr und auch für Umwelteinflüsse empfindliche Arten vor, wie z.B. seltene und gefährdete Steinfliegenlarven.


Auch die Kosten haben die Forscher berechnet. Die Jahreskosten für die Anlagen hängen von der gewählten Technologie, der Anlagengröße – in der Praxis gerechnet in Einwohnerwerten (EW) – und den örtlichen Rahmenbedingungen ab. „Bei Anlagengrößen von 100.000 EW sind pro Bürger im Jahr Kosten zwischen sechs und vierzehn Euro realistisch“ so Professor Rita Triebskorn. „Die weitergehende Abwasserreinigung ist somit ein sehr wirksames und bezahlbares Instrument, um Mikroverunreinigungen und Keime im Wasserkreislauf zu vermindern“.


Der Abschlussbericht des Projekts mit dem Titel „Weitergehende Abwasserreinigung: Ein wirksames und bezahlbares Instrument zur Verminderung von Spurenstoffen und Keimen im Wasserkreislauf“ steht nun online zur Verfügung. Zudem hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Ergebnisse von SchussenAktivplus und elf weiteren Verbundprojekten im Praxishandbuch „Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf (RiSKWa)“ veröffentlicht.


Zweieinhalb Jahre nach Anschluss des Filters zeigten Fische unterhalb der Kläranlage Langwiese weniger Schäden und entwickelten sich besser. Foto: Rita TriebskornDie Schussen in der Nähe der Mündung in den Bodensee bei Langenargen.
Foto: Jutta Schneider-Rapp


Mehr zum Projekt und eine ausführliche Publikationsliste sind zu finden unter <link http: www.schussenaktivplus.de>www.schussenaktivplus.de

Publikationen:

Triebskorn, Rita (Hrsg.): Weitergehende Abwasserreinigung: Ein wirksames und bezahlbares Instrument zur Verminderung von Spurenstoffen und Keimen im Wasserkreislauf. Tübingen 2017. Online abrufbar unter: <link https: publikationen.uni-tuebingen.de xmlui handle>publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/handle/10900/74316


Die Ergebnisse von allen geförderten Projekten zum Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf RiSKWa finden sich im Praxishandbuch:
<link http: www.bmbf.riskwa.de _media riskwa_praxishandbuch.pdf>www.bmbf.riskwa.de/_media/RISKWA_Praxishandbuch.pdf


Kontakt:

Prof. Dr. Rita Triebskorn
Universität Tübingen
Institut für Evolution und Ökologie

Telefon: +49 7071-29-78892

<link>rita.triebskorn@uni-tuebingen.de

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung
Antje Karbe
Pressereferentin
Telefon +49 7071 29-76789
Telefax +49 7071 29-5566
antje.karbe[at]uni-tuebingen.de

www.uni-tuebingen.de/aktuelles

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