Erst 21 Jahre nach Gründung der Universität Tübingen (1477) begann in Tübingen der Buchdruck. Der erste Tübinger Buchdrucker, Johann Otmar, hatte zuvor in Reutlingen gewirkt, von wo aus die junge Universität in den Anfangsjahren mit Büchern versorgt wurde.
Das erste in Tübingen bei Otmar gedruckte Buch wurde laut Schlussschrift am 24. März 1498 fertiggestellt. Es handelt sich um einen Kommentar zu den “Quaestiones” (Sentenzen-
kommentar) des Scholastikers und “doctor subtilis” Johannes Duns Scotus (1266-1308), den der Vorsteher des Tübinger Franziskanerklosters Paulus Scriptoris (1462-1505) verfasste. Dieser Kommentar gilt als sein Hauptwerk. Weitere gedruckte Schriften von ihm sind nicht bekannt. Scriptoris, der aus Weil der Stadt stammte, hielt zwischen 1496 und 1501 im Franziskanerkloster und an der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen gut besuchte Vorlesungen vor allem über mittelalterliche Philosophie im Sinne der „via antiqua“, aber auch beispielsweise über die Geographie des Ptolemäus. In manchen seiner Äußerungen vertrat er vorreformatorisches Gedankengut. Sein Lieblingsschüler war der Humanist Konrad Pellikan (1478-1556). Bei Scriptoris hörten unter anderem Johann Staupitz, der spätere Ordensvorgesetzte und Seelsorger des Reformators Martin Luther sowie Johann Eck, der zum erbitterten Gegner Luthers wurde.
Sentenzen entstanden seit dem 8. Jahrhundert; es handelte sich um Sammlungen von Zitaten aus der Bibel, den Werken der Kirchenväter sowie den Rechtsvorschriften der Konzilien, die später zu Lehrbüchern mit eigenem Kommentar systematisiert und erweitert wurden. Berühmte Verfasser solcher Sentenzenkommentare waren Bonaventura, Thomas von Aquin, Petrus Lombardus und Johannes Duns Scotus.
Das schmucklose Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen stammt aus der Bibliothek des Klosters Zwiefalten. Das Stadtmuseums Tübingen konnte 1994 in London bei “Sotheby’s” ein weiteres Exemplar erwerben; es gehörte vorher zur Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen.
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