17.11.2023
Alumni Spotlight Interview: Komponistin Margarete Sorg-Rose
"Die Arbeit selbst ist wichtig, und man muss von dem, was man tut, felsenfest überzeugt sein. Das allein zählt."
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#mitmusikmenschenverbinden
Wenn ich an meine Zeit in Tübingen zurückdenke, ...
... fallen mir spontan die häufigen Treffen mit Kommilitonen an lauen Sommerabenden ein, auf dem großen Platz vor der Stiftskirche, wo sich damals eine angesagte Eisdiele befand. Dort saßen wir dann auf den Stufen der Kirche, mit Eiswaffel in der Hand, und diskutierten bis spät in die Nacht. Danach ging's mit dem eigenen Fahrrad nach Hause. Oder der häufige kleine Donnerstag-Umtrunk des Collegium musicum-Kammerchores der Universität, abends nach der Chorprobe, im kleinen jugoslawischen Stammlokal auf der Wilhelmstraße, wo der Inhaber uns Chorsängern allen ab und zu einen Sliwowitz ausgab, besonders dann, wenn wir dort die ihm heimatlich vertrauten "Hymnen der orthodoxen Kirche" anstimmten - diese waren eines unserer öffentlichen Konzertprogramme damals, in original russischer Sprache gesungen. Wir waren eine gute Chorgemeinschaft und hatten viel Spaß zusammen, auch auf unseren Konzertreisen, nach Paris zum Beispiel. Unvergesslich.
Was war Ihr größtes Learning aus der Zeit Ihres Studiums?
Mein größtes Learning hängt sicher mit meiner engagierten künstlerisch-musikalischen Tätigkeit im Chor und Orchester des Tübinger Collegium musicum der Universität zusammen, damals geleitet von Universitätsmusikdirektor Prof. Dr. Alexander Šumski. Er war mein fachlicher Mentor und für mich die wichtigste prägende Lehrerpersönlichkeit in meiner damaligen musikalischen Ausbildungsphase. Ich habe von ihm ganz entscheidende Anregungen und Ratschläge erhalten, künstlerisch und für meinen Werdegang als Komponistin - vor allem diese Mahnung: "Das Ziel sollte primär sein, gute Musik zu schreiben, nicht, damit berühmt zu werden. Der Erfolg kommt dann von selbst." Die Arbeit selbst ist wichtig, und man muss von dem, was man tut, felsenfest überzeugt sein. Das allein zählt. Die Anerkennung "von außen" durch andere Menschen ist stets eine brüchige Sache, eine unsichere Währung, von vielen Faktoren abhängig, die nicht unbedingt etwas mit der Qualität des eigenen Schaffens zu tun haben. Derlei darf daher nie Maßstab für die eigene Arbeit werden. Wieviel Künstlern ist dies schon passiert: Heute gefeiert, morgen in den Boden getreten. Oder über viele Jahre schlicht ignoriert. Da braucht ein Künstler Resilienz, die ausschließlich aus dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erwächst. Und Mut - "Attempto!" - und Durchhaltekraft.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich gerade beruflich und warum?
Da ich auch Klassische Philologie studiert habe, Latein und Griechisch, verbinde ich meine Musik gern mit Themen und Texten insbesondere der altgriechischen Literatur - ich bin Philhellenin. Was haben uns diese Texte zu sagen? Sind ihre Botschaften an uns heute noch aktuell? Da findet man in der Tat viele Ansätze, in den Epen Homers, in der frühgriechischen Lyrik, bei den Dramatikern Aeschylos, Sophokles, Euripides. Diese Texte und ihre Botschaften lassen sich in ihrer Zeitlosigkeit gut in die Gegenwart transportieren. Daher arbeite ich gerade an einer Oper, deren Libretto aus Texten der frühgriechischen Lyrik besteht. Meine 4. Sinfonie für großes Orchester trägt den Titel "Der Zorn des Achill" und ist ebenfalls in Arbeit. Geplant ist eine 5. Sinfonie mit dem Titel "Medea".
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei?
Es sind Herausforderungen, die nicht von außen kommen, sondern die ich mir selbst beim Komponieren auferlege: die Bewältigung der sinfonischen Form, das Bestehen vor der sinfonischen Tradition, überhaupt den künstlerischen Ansprüchen, die ich an mich selbst stelle, gerecht zu werden. Bei jedem neu zu komponierenden Werk definiert sich eine solche Herausforderung unterschiedlich und ebenfalls auf ganz neue Weise.
Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?
Offenheit und Toleranz.
Was war der beste Rat, den Sie in Ihrem Leben bekommen haben?
"Brennen Sie, aber ver-brennen Sie nicht." Trotz aller Begeisterung und Leidenschaft für das eigene Fach immer auf gezielte Fokussierung achten, nie die Kerze sein, die an beiden Enden gleichzeitig brennt, auch im Interesse der eigenen Gesundheit. Diesen weisen Rat erhielt ich während meiner Tübinger Studienzeit von UMD Prof. Dr. Alexander Šumski, den ich vorhin erwähnt habe. Es bieten sich beruflich ein ganzes Leben lang spannende Herausforderungen an, die äußerst verführerisch locken - aber man muss auf die Bremse treten und sortieren, die eigenen Kräfte bündeln.
Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben?
Genau denselben.
Lesestoff: Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen, und wem würden Sie es empfehlen?
Zuletzt habe ich das Buch "Good Vibrations - Die heilende Kraft der Musik" von Prof. Dr. Stefan Kölsch gelesen. Stefan Kölsch ist Violinist, Musikpsychologe und international führender Neurowissenschaftler zu diesem Thema. Er beschreibt in diesem Buch die Auswirkungen von Musik auf unser Gehirn, unsere Emotionen und unseren Körper und gibt konkrete Ratschläge, wie Musik in unserem Alltag das Wohlbefinden stärken kann. Die Gesundheitsforschung hat längst erkannt, dass Musik zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden kann. Stefan Kölschs Buch ist auch für "Laien" verständlich und spannend geschrieben. Ich empfehle die Lektüre daher jedem, der gerne Musik hört - welche Stilrichtung auch immer.
Meine Mitmenschen wären überrascht, wenn sie wüssten, dass ...
... ich als Komponistin zeitgenössischer klassischer Musik ein ausgesprochener Fan der schwedischen Pop-Gruppe "ABBA" bin - seit meiner Jugend bis heute. Ich bin eine echte "ABBA-istin". Deren schmissige Musik ist einfach Kult. Überhaupt weiß ich jede Stilrichtung in der Musik zu schätzen, wenn sie wirklich gut gemacht ist.
Das Gespräch führte Inga van Gessel.
Entdecken Sie die Musik von Margarete Sorg-Rose auf ihrem YouTube Kanal.
Lernen Sie mehr über Leben und Werk der Komponistin auf ihrer Webseite.