Es war das Förderangebot für den Forschungsnachwuchs aus der dritten Säule der Exzellenzinitiative, die den Chemiker Dr. Marcus Scheele im Oktober 2013 aus Hamburg an die Universität Tübingen brachte. „Für drei Jahre habe ich eine gut ausgestattete Stelle erhalten und konnte gleich loslegen. Die Ausschreibung war themenoffen, und die Universität hat mir bei der Verfolgung meiner Ideen völlig freie Hand gelassen“, sagt er. Scheele möchte sehr schnelle optische Schalter für die Siliziumtechnologie entwickeln, die eine sehr schnelle Datenverarbeitung bei geringem Energieaufwand ermöglichen. Die Grundlage bilden dünne Filme mit hybriden Nanostrukturen, in denen organische und anorganische Stoffe gekoppelt sind.
Die Zielvereinbarung mit der Universität für die Projektstelle war nicht – wie üblich – ein Abschlussbericht, sondern ein Drittmittelantrag für eine Forschungsnachwuchsgruppe bei den großen Fördereinrichtungen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oder dem Forschungsprogramm der Europäischen Union. „Die Universität ist in Vorleistung getreten, das hat mein Vorhaben sehr befeuert“, sagt Scheele. Die mit dem Zukunftskonzept verbundenen großen wissenschaftlichen Freiheiten haben in kurzer Zeit zu neuen Antragsideen für künftige Forschungsfelder geführt. Für deren Vorbereitung hat Scheele zweimal eine Projektförderung von jeweils 35.000 Euro an Sachmitteln eingeworben, die ebenfalls aus den Mitteln der Exzellenzinitiative der Universität Tübingen stammen.
Für Marcus Scheele ist der Plan aufgegangen, gleich zwei große Anträge waren erfolgreich: 2016 warb er bei der DFG eine Emmy Noether-Gruppe für Nachwuchswissenschaftler ein, und 2018 wurde er mit einem Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) ausgezeichnet, die ihm eine Förderung von knapp 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre brachte. Nun wird seine eigene Stelle über die DFG, seine restliche Arbeitsgruppe über den ERC Grant finanziert. Die Baden-Württemberg Stiftung finanziert über Teilprojekte weitere Stellen für Postdoktoranden oder Doktoranden sowie Geräte.
Die Idee zu seinem Forschungsvorhaben war Marcus Scheele in seiner Zeit an der University of California in Berkeley, USA, gekommen. Er forschte an anorganischen Nanokristallen, interessierte sich aber auch für organische Halbleiterpolymere. „Je mehr ich mich in beide Gebiete eingelesen habe, desto mehr fiel mir auf, dass die Forscher getrennt und nebeneinander her ähnliche Probleme bearbeiteten. Alle wollten schnelle Transistoren, LEDs und tolle Solarzellen, aber es gab praktisch keine Zusammenarbeit.“ Er war sich sicher, dass beim Zusammenführen der Materialklassen neue Lösungen auftauchen würden. Nun geben ihm seine Erfolge Recht. Um seiner Grundlagenforschung eine Perspektive in der Anwendung zu geben, hat er bereits Kontakt zum industrienah forschenden Naturwissenschaftlich-Medizinischen Institut (NMI) in Reutlingen aufgenommen, einem An-Institut der Universität Tübingen.
Doch ein dicker Wermutstropfen mischt sich in die Lebensplanung: Alle Förderungen, die Marcus Scheele bisher erhalten hat, sind befristet. „Zusammengenommen habe ich schon sehr viel. Aber wenn irgendetwas in dem Gerüst von Anträgen und Förderungen nicht klappt, steht man ohne alles da“, sagt er. Das findet er nicht nur für sich persönlich schwierig, denn als Forschungsgruppenleiter habe er auch Führungsverantwortung für seine Doktoranden übernommen. „Zum Teil werden die Doktorarbeiten erst nach dem Ende meiner Projektförderungen fertig. Dabei leiste ich 95 Prozent der Betreuungsarbeit, die der Zweitgutachter in der Regel nicht einfach übernehmen kann.“ Die Vorstellung, weiter – und unbefristet – in der Forschung zu arbeiten, würde ihn reizen. Doch mit einem kleinen Ruck ist er zurück in der Realität und beim nächsten Schritt: „Jetzt geht es erst einmal darum, die neuen Ergebnisse vorzeigbar zu machen“, sagt er.
Janna Eberhardt