Uni-Tübingen

Poetik-Dozentur 2009

Jonathan Franzen

Jonathan Franzen wurde 1959 in der Nähe von Chicago geboren und wuchs in einer Vorstadt von St. Louis auf. Derzeit lebt er in New York. Zunächst studierte Franzen am Swarthmore College in Pennsylvania, später führte seine Begeisterung für die deutsche Sprache und Literatur den damaligen Studenten auch nach Berlin und München. Nach seiner Rückkehr in die USA arbeitete Franzen in einem seismologischen Labor an der Harvard University. 1988 veröffentlichte er seinen ersten Roman Die 27ste Stadt; vier Jahre darauf folgte mit Schweres Beben der zweite. International bekannt wurde Franzen mit Die Korrekturen, die von der Publisher's Weekly als ein "Meisterwerk" gefeiert und 2001 mit dem National Book Award ausgezeichnet wurden. Auch in Deutschland erfuhr der Bestseller, der in eindringlicher Sprache das Auseinanderbrechen einer amerikanischen Mittelschichtsfamilie schildert, enormen Zuspruch. Nie zuvor, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, sei das Buch eines bis dahin "vollkommen unbekannten amerikanischen Autors in Deutschland so begierig erwartet worden". Ein anderes literarisches Genre bedient Franzen mit seiner Essaysammlung Anleitung zum Alleinsein. Darin gelingt es ihm, aus einer persönlichen Perspektive ein gesamtgesellschaftliches Bild Nordamerikas zu zeichnen, ohne dabei in eine eindimensionale Charakterisierung seines Landes zu verfallen. Es ist ein Blick, der zwischen kritischer Distanzierung, Pessimismus und "mitfühlender Wärme" (Süddeutsche Zeitung) oszilliert. In seiner jüngst erschienenen, autobiografisch gefärbten Publikation Die Unruhezone. Eine Geschichte von mir steht erneut Franzens bevorzugtes Sujet, die amerikanische Familie der Mittelschicht, im Zentrum des Interesses. Franzen gestaltet hier seine grotesken Erlebnisse als Jugendlicher in Elternhaus, Highschool und christlichen Ferienlagern.


Publikationen:

Die Korrekturen (Reinbek bei Hamburg 2002)
Die 27ste Stadt (Reinbek bei Hamburg 2003)
Schweres Beben (Reinbek bei Hamburg 2005)
Anleitung zum Alleinsein (Reinbek bei Hamburg 2007, zuerst erschienen unter dem Titel Anleitung zum Einsamsein, Reinbek bei Hamburg, 2002)
Die Unruhezone (Reinbek bei Hamburg 2007)

 

 

 

 

Adam Haslett

Adam Haslett, Jahrgang 1970, gilt als Überraschung der amerikanischen Literaturszene. Der Autor studierte sowohl kreatives Schreiben als auch Rechtswissenschaft. Während sein Debütwerk, eine Sammlung von Erzählungen mit dem Titel Das Gespenst der Liebe, im Jahre 2002 erschien, bereitete sich Haslett auf seinen Abschluss als Jurist vor. Der Unterschied zwischen Literatur und Recht sei, so Haslett, dass Literatur den Fokus auf das Innenleben der Figuren richten könne, während Recht sich primär mit dem Außen menschlicher Existenz befasse. Es ist eben jene detaillierte und erstaunlich lebensnahe Beschreibung emotionaler Vorgänge, die Hasletts Texte auszeichnet. Viele seiner Figuren sind an bipolaren Störungen erkrankt. Der emotionale Grundbass reicht von überschwänglichem Hochmut, wie beim manischen Erfinder der ersten Erzählung "Anmerkungen für meinen Biografen", bis zu völliger Niedergeschlagenheit und innerer Leere wie beim Protagonist in "Nach dem Krieg". Psychische Erkrankungen, Drogensucht und gemeinhin stigmatisierte Lebensformen werden nicht in voyeuristischer Manier zur Schau gestellt; vielmehr geht es Haslett darum, die Mechanismen alltagssprachlicher Verfahren aufzudecken, die derartige Diskriminierungen produzieren.

Das Gespenst der Liebe wurde für mehrere bedeutende Literaturpreise nominiert. "Was für eine wunderbare Seltenheit", lobt Jonathan Franzen, "ein junger Geschichtenerzähler der alten Schule, der etwas Wichtiges, Neues und Intelligentes zu sagen hat: Sie werden diese Geschichten lieben."
Sein aktueller Roman, Union Atlantic, ist soeben im Rowohlt Verlag erschienen. "Lakonisch, aber mit latent spürbarem Zorn und Mitleid beschreibt Adam Haslett eine Geschichte vom großen Fall - das Buch zur Krise", lobt WDR 5 Haslett in einem Beitrag zu seiner jüngsten Publikation, und auch Jonathan Franzen schreibt dazu:
"Dieser Roman ist ein seltener Glücksfall - ein Buch von unvergleichlicher Reife und Vollständigkeit, voll Mitgefühl, Spannung und Humor. Es ist lange her, dass ein amerikanischer Romancier so viel gewagt und von dem, was er sich vorgenommen hat, so viel erreicht hat." Auch news.de rezensiert das neue Werk Hasletts als "ein Buch, das Hoffnung macht", und weiter heißt es: "Haslett entwirft seine Charaktere so schlicht wie beeindruckend, er zerlegt die wirren Strukturen der Finanzwirtschaft so stilsicher in Einzelportionen, wie es kein Zeitungsartikel, keine Dokumentation je könnte."

Publikationen:
Das Gespenst der Liebe (München 2003)
Union Atlantic (Hamburg 2009)

 

 

Daniel Kehlmann

Außerdem freuen wir uns sehr, neben unseren beiden Poetik-Dozenten Jonathan Franzen und Adam Haslett, Daniel Kehlmann als Diskussionsgast im Rahmen der Tübinger Poetik-Dozentur begrüßen zu dürfen. Sein Gespräch mit Franzen wird den amerikanisch-deutschen Literatur- und Kulturaustausch vertiefen. Kehlmann ist der amerikanischen Literatur aufs engste verbunden. Während Jonathan Franzen begeistert von der deutschen Literatur ist, bezeichnet Daniel Kehlmann die amerikanische Literatur als seine eigentliche "große Liebe" (Buchjournal). Kehlmann wurde 1975 in eine Künstlerfamilie hineingeboren. In Wien studierte er Germanistik und Philosophie. Bereits 1997 erschien sein erster Roman Beerholms Vorstellung. In den darauf folgenden Jahren wurden zahlreiche weitere Arbeiten publiziert wie Unter der Sonne (Erzählungen, 1998), Ich und Kaminski (Roman, 2003) sowie Die Vermessung der Welt (Roman 2005). Dieser internationale Bestseller ist eine ironisierende Darstellung zweier deutscher Ikonen der Wissenschaft, Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt. Die Presse lobte den Roman als "geniale[n] Streich" (Frankfurter Rundschau); besonders gelungen sei nicht nur die Komik das Textes, sondern das "ebenso leichtfüßige wie subtile Motivgefüge, das vom Freiheitsthema und der Entzauberung der Welt über den Konstruktivismus der Naturgesetze bis zu Wissenschaft als Ideologie reicht - und einige mentalitätsgeschichtliche Hinweise auf den deutschen Nationalismus gibt" (taz). Kehlmanns jüngstes Buch, der episodenhafte Roman Ruhm verknüpft skurrile Erlebnisse seiner Figuren zu einem "raffinierten Spiel mit Realität und Fiktion" (Klappentext).

Daniel Kehlmann zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart und wurde mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet wie dem Candide-Preis (2005), dem Kleist-Preis (2006) oder jüngst dem Thomas Mann-Preis (2008).

Publikationen (Auswahl):
Beerholms Vorstellung (Reinbek bei Hamburg 1997)
Unter der Sonne (Reinbek bei Hamburg 1998)
Mahlers Zeit (Reinbek bei Hamburg 1999)
Der fernste Ort (Reinbek bei Hamburg 2001)
Ich und Kaminski (Reinbek bei Hamburg 2003)
Die Vermessung der Welt (Reinbek bei Hamburg 2005)
Wo ist Carlos Montúfar? (Reinbek bei Hamburg 2005)
Diese sehr ernsten Scherze. Poetikvorlesungen (Göttingen 2006)
Ruhm (Reinbek bei Hamburg 2009)