Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2015: Schwerpunkt
Promovieren – Was bedeutet das eigentlich?
Information und erste Orientierung
Die Promotion dient dem Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit und beruht auf einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeit – der Dissertation – und einer mündlichen Prüfung. Der Doktortitel ist damit der höchste akademische Grad, den Universitäten verleihen können.
Eine Karriere in der Forschung setzt eine Promotion voraus. In Deutschland kann eine Promotion darüber hinaus zahlreiche weitere Karrierewege eröffnen, da auch Führungspositionen im öffentlichen Sektor oder in der Wirtschaft häufig mit Promovierten besetzt werden. In einigen Fächern, beispielsweise in der Chemie, wird die Promotion auch für den außeruniversitären Berufseinstieg erwartet, sodass ca. 90 Prozent der Chemikerinnen und Chemiker ihr Universitätsstudium mit einer Promotion abschließen. Tatsächlich geht der Großteil der Promovierten in den außeruniversitären Arbeitsmarkt und nur ein kleiner Teil verbleibt in der Forschung.
Individualpromotion
Am häufigsten werden Promotionen als Individual- oder Einzelpromotion durchgeführt, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Dabei wählen die Promovierenden in Absprache mit ihren Betreuern ein Forschungsthema für die Promotion und bearbeiten dieses eigenständig. Die Betreuung wird auf Basis individueller Absprachen gestaltet. Die meisten Betreuerinnen und Betreuer bieten für ihre Promovierenden regelmäßige Doktorandenkolloquien an, doch darüber hinaus gibt es in der Regel keine zusätzlichen Anforderungen. Die Individualität der Individualpromotion stellt daher zugleich die größte Herausforderung dar – nämlich die umfassende Organisation des individuellen Promotionsprojekts sowie das anspruchsvolle Selbstmanagement.
An der Universität Tübingen gibt es mittlerweile mehrere Ansätze, um die individuelle Ausgestaltung der Individualpromotion zu unterstützen. Dazu gehört z.B. die Einführung von Betreuungsvereinbarungen, die mit der Betreuungszusage zwischen den Promovierenden und ihren (in der Regel) zwei BetreuerInnen geschlossen werden. Darin sind nicht nur Rechte und Pflichten, sondern darüber hinaus auch (fortzuschreibende) Zeitpläne für regelmäßige Betreuungsgespräche und Zwischenberichte festgehalten.
Promotionsprogramm / strukturierte Promotion
Eine vergleichsweise junge Alternative zur Individualpromotion stellt die Promotion in einem Promotionsprogramm dar, häufig auch als strukturierte Promotion bezeichnet. Promotionsprogramme können ganz unterschiedliche Namen tragen und vielfältig ausgestaltet sein. Zu den Promotionsprogrammen an der Universität Tübingen gehören unter anderem DFG-Graduiertenkollegs, Promotionsverbünde („Minigraduiertenkollegs“), die Exzellenz-Graduiertenschule LEAD sowie drei Graduate Schools, die im Exzellenz-Cluster Werner Reichardt Centre for Integrative Neuroscience (CIN) integriert sind. Zwei davon sind als „International Max Planck Research Schools“ Kooperationen mit dem Max Planck Campus in Tübingen.
Die Vielfalt der Namen mag verwirren – ganz allgemein zeichnet sich alle Promotionsprogramme aber dadurch aus, dass
- ein gemeinsamer thematischer oder struktureller Forschungskontext gegeben ist, etwa durch ein Forschungsumfeld wie in einem Graduiertenkolleg,
- die Promovierenden ein koordiniertes Förderprogramm mit Lehrveranstaltungen und Workshops, häufig als Curriculum gestaltet, durchlaufen,
- die Aufnahme in das Promotionsprogramm in der Regel auf Bewerbung und nach Durchlaufen eines Auswahlprozesses erfolgt, wofür auch die thematische Passung eine Rolle spielt.
Eine Übersicht der existierenden Promotionsprogramme findet sich auf den Seiten der Forschungsförderung sowie unter Promotionsprogramme der Universität im ILIAS-Nachwuchsportal. Informationen zu Ausschreibungen und Terminen finden Sie auf den Seiten der Programme.
Ich möchte promovieren – Was sollte ich klären?
Eine Promotion ist ein Projekt, das mehrere Jahre Lebenszeit bindet, häufig drei Jahre und mehr. Daher ist es wichtig, zunächst über die persönliche Motivation nachzudenken. Das kann ganz vielfältig ausfallen:
- eine hohe intrinsische Motivation mit: wissenschaftliche Neugier, den Wunsch, etwas Neues zu entdecken, ein gesellschaftlich relevantes Problem zu beleuchten, einen Beitrag zur medizinischen Entwicklung zu leisten, etc.
- der Wunsch, einen Titel zu führen, um beruflich Vorteile zu haben
- Unsicherheit über die eigene berufliche Zukunft – und der daraus resultierende Beschluss, eine Promotion anzuschließen.
Sehr häufig handelt es sich um die Kombination verschiedener Aspekte. Die beispielhafte Aufzählung der Motivationen lässt bereits erahnen, dass nicht alle Gründe gleich gut geeignet sind, um auch in schwierigen Phasen des Promotionsprozesses das Durchhaltevermögen und die Selbstmotivation zu erhalten und zu fördern.
Persönliche und soziale Voraussetzungen
Persönliche und soziale Voraussetzungen sollten ebenfalls reflektiert werden. Die Anfertigung einer Dissertation ist ein komplexes Vorhaben, das sich nicht einfach in mehrere Masterarbeiten umrechnen lässt, sondern ganz eigene Herausforderungen mit sich bringt. Um von Beginn an realistisch planen zu können, sollten sich Doktorandinnen und Doktoranden möglichst im Vorfeld bereits mit zentralen Fragestellungen auseinandersetzen: Wie gerne schreiben ich bzw. wie leicht fällt mir das Schreiben? Wie ist mein Zeit- und Selbstmanagement? Habe ich privat mehrere zeitintensive Aktivitäten, die ich auch während einer Promotion fortsetzen möchte? Wie sieht meine Lebens- und Familienplanung aus? Bin ich jemand, der/die in einem Promotionsprogramm zur Höchstform auflaufen würde oder doch eher jemand, zu dem/zu der besser die Bedingungen einer Einzelpromotion passen? – Sinnvoll ist es auch, von Anfang an individuelle Strategien zu entwickeln, um vorhersehbare Stolpersteine bei einer Promotion zu vermeiden. Eine gute Möglichkeit hierfür ist auch, Promovierende im eigenen Umfeld nach deren Erfahrungen zu befragen.
Finanzierung
Eine existentielle Frage bei einer Promotion ist die Frage der Finanzierung. Möglichkeiten zur Finanzierung bieten zum Beispiel Stellen als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Stellen außerhalb der Universität - häufig ohne Forschungsbezug - oder auch ein Promotionsstipendium. In jedem Fall sollte man auch genau überlegen, wie gegebenenfalls Zeiten finanziell überbrückt werden könnten, die von der primären Finanzierungsquelle für das Promotionsvorhaben nicht abgedeckt werden. Denn das Zeitbudget für die Promotion, das zu Beginn des Promotionsprojekts häufig sehr groß erscheint, kann in der Folge schnell zusammenschrumpfen. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Finanzierungsarten sollten daher im Vorfeld kritisch geprüft werden.
Formale Voraussetzungen
Die formalen Voraussetzungen für eine Promotion sind in der Promotionsordnung der jeweiligen Fakultät nachzulesen, an der die Promotion durchgeführt werden soll. In der Promotionsordnung sind darüber hinaus weitere die Promotion betreffende rechtliche Regelungen festgehalten, etwa Regelungen zur Annahme als Doktorand, Höchstdauer der Promotionszeit, Zulassungsantrag und Einreichung der Dissertation, Begutachtungsverfahren, Durchführung der Disputation oder die Veröffentlichung der Dissertation. Der Promotionsausschuss der zuständigen Fakultät überprüft bei allen Anträgen auf Annahme als Doktorand, ob die Bewerber die geltenden Voraussetzungen erfüllen.
Ich möchte promovieren – Was sind meine ersten Schritte?
Zunächst gilt es einen Betreuer oder eine Betreuerin zu finden für das eigene Promotionsvorhaben und das gewünschte Thema. In Frage kommen dafür alle hauptberuflichen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, das heißt alle aktuell als Professorin oder Professor an einer Fakultät der Universität Tübingen Beschäftigten, und weitere promovierte Mitglieder der Fakultät mit entsprechender Berechtigung. Darüber hinausgehende Regelungen – beispielsweise zu Mitgliedern anderer Universitäten als Betreuer – sind in den jeweiligen Promotionsordnungen zu finden.
Nach Erhalt der Betreuungszusage können Doktorandinen und Doktoranden mit dem Hauptbetreuer ihrer Arbeit sowie einem zweiten Betreuer die Betreuungsvereinbarung abschließen und bei der zuständigen Fakultät den Antrag auf Annahme als Doktorand stellen. Es steht allen Promovierenden offen, sich als Doktorand zu immatrikulieren. Vorteile bei einer Immatrikulation sind zum Beispiel eine studentische E-Mail-Adresse oder die Möglichkeit, verschiedene universitäre Einrichtungen und Services wie die Universitätsbibliothek zu nutzen.
Für einen Antrag auf ein Promotionsstipendium wird ein Exposé des Forschungsvorhabens benötigt, das heißt eine Projektskizze mit Arbeits- und Zeitplan.
Wichtiger Hinweis: In Promotionsprogrammen sind der Bewerbungsprozess und die Betreuersuche anders geregelt, Informationen dazu sind auf den Webseiten der Programme nachzulesen.
Sibel Vurgun