Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende des Ludwig-Uhland-Institutes für Empirische Kulturwissenschaft (LUI) ist es gemeinsam gelungen, noch Materialien und Archivbestände aus der Biesingerstraße 26 zu retten. Das Gebäude war am 20. März vollständig ausgebrannt.
Der 20. März war eine Katastrophe. Eine persönliche, weil ein Mensch bei dem Brand ums Leben kam. Aber auch eine Katastrophe für das LUI und die dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit den beim Brand vernichteten Materialien gearbeitet haben. Und doch stand die kleine interne Feier des LUI am 20. April im Zeichen der Freude und Dankbarkeit. „Die Katastrophe hat auch gezeigt, wie ein Institut lebt“, so Institutsdirektor Professor Dr. Reinhard Johler in seiner Begrüßung. Er unterstrich die großartige Gemeinschaftsleistung bei der Rettungsaktion und dankte den Helferinnen und Helfern im LUI genauso wie allen anderen, die schnelle Hilfe bereitgestellt hatten:
Sabine Müller-Brem, die die Sammlungen am LUI als wissenschaftliche Mitarbeiterin betreut und „mit der Sammlung lebt“, organisierte die Rettungsaktion. Sie betonte ebenfalls die große Einsatzbereitschaft aller Beteiligten: „Einige haben 2 Tage lang insgesamt rund 3 Tonnen geborgenes Material von dem Gelände runter zur Straße getragen. Andere waren mit dem Sichten und Sortieren des Materials beschäftigt. - Was kann nicht mehr gerettet werden? Was ist trocken und kann restauriert werden? Welche Materialien sind nass und müssen einer Spezialbehandlung unterzogen werden, um konserviert werden zu können?“ Und das alles binnen kürzester Zeit, denn das Haus ist akut einsturzgefährdet und die geretteten Materialien mussten unter freiem Himmel gesichtet werden.
Unmittelbar nach dem Brand erschien es aussichtslos, Dinge zu retten. Erst nach 2 Tagen erkannte die Kulturwissenschaftlerin auf Fotos der Brandstelle, dass doch nicht alles zerstört war und handelte sofort. Dieses Wechselbad der Gefühle beschreibt Müller-Brem selbst als „emotionale Verdichtung“.
Das gerettete Material lagert jetzt zur Sichtung und Konservierung in der ehemaligen Tübinger Augenklinik, zunächst für 1 Jahr. Auch 1.000 Fotos und Dias aus der einstmals 30.000 Abbildungen umfassenden Foto- und Diasammlung des LUI konnte der Kultur- und Medienwissenschaftler Ulrich Hägele mit Hilfe einer an einem Kran befestigten Rettungsgondel bergen. „Ich habe so lange mit dieser Sammlung gearbeitet. Zu sagen: ‚ich habe zumindest versucht zu retten, was noch zu retten war‘ - das war für mich sehr wichtig und zugleich auch eine Form der Trauerbewältigung. In einem Stapel von völlig zerstörtem Material habe ich ein vollständig erhaltenes Großformat-Dia aus den 1930er-Jahren entdeckt – in der Katastrophe kann man sich über so etwas freuen“, so Hägele. Die geretteten Dias und Fotos lagern jetzt auf dem Dachboden der Kalten Herberge auf Schloss Hohentübingen.
„Der beste Schutz für Archivalien ist, wenn die Objekte in Benutzung sind“, zog Dr. Karin Bürkert ein Fazit. Sie war ebenfalls maßgeblich an der Rettungsaktion beteiligt. Drei Tage nach dem Brand erhielt sie eine Zusage über 250.000 Euro Drittmittel für ein Verbundprojekt zur Arbeit an volkskundlichen Sammlungen gemeinsam mit der Universität Freiburg und den Landesmuseen. Der Anteil der Objekte aus den Sammlungen des LUI an diesem Projekt ist durch den Brand verringert worden.
Maximilian von Platen
Pressemitteilung Rettungsaktion sichert drei Tonnen Archivmaterial vom 31. März 2017
Bestände des Ludwig-Uhland-Instituts, die in der Biesingerstr. 26 lagerten
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