Am 27. August verstarb Professor Dr. Siegfried Weller im Alter von 91 Jahren im Kreise seiner Familie. Als Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen und Lehrstuhlinhaber für Unfallchirurgie an der Eberhard Karls Universität hat er die herausragende Bedeutung der Klinik maßgeblich beeinflusst. Nach seinem Amtsantritt im Jahr 1969 hat sich unter seiner Leitung die „BG“, wie die Klinik in der Region gemeinhin bezeichnet wird, zu einer Klinik der Maximalversorgung für Unfallchirurgie entwickelt. Lange vor dem Zusammenschluss der Unfallchirurgen mit den Orthopäden hat sich die Klinik auch mit orthopädischen Krankheitsbildern wie der Endoprothetik und der Korrektur angeborener Fehlstellungen befasst. Beispiel hierfür ist die seinerzeit sog. „Weller-Hüfte“ beim endoprothetischen Gelenkersatz.
Prof. Weller hat während seines Berufslebens zahlreiche Ämter mit nationaler wie internationaler Prägung bekleidet. So war er, um nur die bedeutendsten dieser Ämter zu nennen, 1978 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde (DGU), 1982 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und 1994/95 Präsident der AO/ASIF-Foundation. Prof. Weller erhielt die Ehrendoktorwürde an der Freien Universität Berlin und der Medizinischen Universität in Madras/Indien.
Seine besonderen Beziehungen zu Indien, die er in Gestalt der Leitung zahlreicher wissenschaftlicher Veranstaltungen und Workshops zu praktischen Unterweisungen in der Osteosynthesetechnik wahrgenommen hat haben sein hohes Ansehen in der dortigen Ärzteschaft und entsprechende Ehrungen bewirkt. Ähnliches gilt für andere fernöstliche Länder. Zum Aufbau einer mittlerweile international bekannten Klinik in Chennai hat er unterstützend beigetragen, nicht zuletzt in Form mehrfacher jährlicher Besuche.
Prof. Weller wurde u.a. mit der v. Bergmann-Plakette der Deutschen Ärzteschaft und der Diefenbach-Büste der DGU, dem Lexer-Award der DGCH sowie dem Bundesverdienstkreuz 1. und 2. Klasse ausgezeichnet. Prof. Weller hielt zahlreiche Vorträge auf bedeutenden nationalen und internationalen Kongressen, verantwortete unzählige Publikationen in hochrangigen Journalen und war langjährig Herausgeber renommierter Zeitschriften aus dem Fach.
Als Ärztlicher Direktor führte Prof. Weller die BG von 1969 bis zu seiner Emeritierung am 1. März 1996 mit der ihm eigenen, gleichermaßen konsequenten wie väterlichen Strenge. Eine große Zahl der von ihm ausgebildeten und geförderten ärztlichen Mitarbeiter hat später Chefarztpositionen und Lehrstühle an renommierten unfallchirurgischen Einrichtungen im Land besetzen können. Viele von ihnen sind die schwäbisch geprägten Direktiven und Ermahnungen ihres ehemaligen Chefs wie „hend Sie nix zom schaffa“ oder „was des Geld koschd“ dauerhaft im Gedächtnis geblieben. Nichtärztliche Mitarbeiter, beispielsweise im OP-Bereich, erfuhren ebensolche straffe Anweisungen bei ihrer täglichen Arbeit. Eine Heerschar seiner dankbaren Patienten erinnert sich an die äußerst kompetente wie gestrenge Behandlungsführung mit Sprüchen wie „Beweglichkeit kann mr net hinoperiera, des müsset se selber macha“.
Für Prof. Weller war der Beruf sowohl Berufung als auch Hobby. Es versteht sich, dass bei einem Arbeitsbeginn spätestens um 5.00 Uhr morgens mit Rückkehr nach Hause nicht vor 19.00 Uhr und Visiten am Wochenende das Familienleben zu seinem Leidwesen oft hintanstehen musste. Gleichwohl waren ihm die wenigen gemeinsamen Stunden mit seiner Ehefrau Karin und den beiden Töchtern ganz besonders wichtig. Seine Liebe galt auch der klassischen Musik, die ihm zum Ausgleich seiner beruflichen Belastung diente.
Prof. Weller wird im Gedächtnis der deutschen Chirurgen, Unfallchirurgen und Orthopäden dauerhaft einen herausragenden Platz einnehmen. Dies gilt in gleicher Weise für die ihm nahestehenden und befreundeten Kollegen aus dem Ausland. Mit seinem Tod fehlt einer der maßgeblichen Begründer und einer der Nestoren der deutschen Unfallchirurgie. Seine Mitstreiter, Kollegen und ehemaligen Mitarbeiter werden ihm stets ein ehrenvolles Angedenken bewahren.