Uni-Tübingen

Jubiläum: 10. Poetik-Dozentur, Sommer 2000

Zukunft? Zunkunft!

Seit Benjamins Engel der Geschichte blickt die Literatur rückwärts. Moderne Literatur ist weitgehend Literatur der Erinnerung, des Gedächtnisses, der Vergangenheitsbewältigung. Demgegenüber peripher stellt sich die Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft dar. Deshalb will die 10. Tübinger Poetik-Dozentur nach Spuren solcher Zukunftsbezogenheit bei Autorinnen der Gegenwart fragen. Es soll dabei nicht um reine Zukunftsbekenntnisse gehen, sondern um Bestandsaufnahmen und Reflexionen - etwa im Sinne der Fragestellung, die der "Lettre"-Wettbewerb 1999 ausgegeben hatte: "Die Zukunft von der Vergangenheit befreien / Die Vergangenheit von der Zukunft befreien."

 

Anna Maria Carpi, Batya Gur, Barbara Honigmann, Zoë Jenny, Herta Müller, Yoko Tawada, Dubravka Ugresic und Alissa Walser haben je eine Vorlesung (Dauer ca. eine Stunde) zum Thema "Zukunft? / Zukunft!" gehalten.

 

Anna Maria Carpi

geboren 1939 in Mailand, studierte Deutsch und Russisch an der Mailänder Universität. Erste Prosa- und Gedichtveröffentlichungen 1955-60, außerdem war sie in diesen Jahren stark künstlerisch tätig: mehrere Ausstellungen ihrer Zeichnungen in Mailand und Köln. Als Übersetzerin übertrug sie u.a. Gedichtsammlungen von Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn, Thomas Bernhard, Hans Magnus Enzensberger und Friedrich Nietzsche ins Italienische. Seit 1980 lehrt Anna Maria Carpi als Professorin für Germanistik an der Universität von Venedig und Mailand.

 

Publikationen:

A morte Talleyrand (1994)
Racconto di gioia e di nebbia (1995)
Forever young (1997) (E sarai per sempre giovane. (1996))

 

Auszeichnungen:

Pisa-Preis 1993 für A morte Talleyrand
Diego-Valeri-Preis für A morte Talleyrand

Batya Gur

geboren 1947 in Tel Aviv, arbeitete nach ihrem Literaturstudium an der Hebräischen Universität Jerusalem zunächst 20 Jahre als Lehrerin und Journalistin, bevor sie auch schriftstellerisch tätig wurde. Mit ihrem Ochajon-Romanen wurde sie als Kriminalautorin international bekannt. Heute lebt und arbeitet Batya Gur als Schriftstellerin und Literaturkritikerin in Jerusalem.

 

Publikationen:
Denn am Sabbat sollst Du ruhen (1992)
Am Anfang war das Wort (1995)
So habe ich es mir nicht vorgestellt (1996)
Du sollst nicht begehren (1997)
Das Lied der Könige (1998)

 

Auszeichnungen:
Deuscher Krimipreis für Denn am Sabbat sollst du ruhen (1992)

Barbara Honigmann

1949 geboren in Ost-Berlin nach der Rückkehr der Eltern aus der englischen Emigration. Nach dem Studium der Theaterwissenschaften war sie zunächst als Dramaturgin und Regisseurin tätig, seit 1976 als freischaffende Schriftstellerin und Malerin. 1984 reiste sie aus der DDR aus und lebt und arbeitet seither in Strasbourg.

Publikationen:
Roman von einem Kinde (1986)
Eine Liebe aus nichts (1991)
Soharas Reise (1996)
Am Sonntag spielt der Rabbi Fußball (1998)
Damals, dann und danach (1999)

Auszeichnungen:

aspekte-Literaturpreis 1986
Preis der Autorenstiftung 1986
Stefan-Andres-Preis 1992
Nikolaus-Born-Preis 1994
Ehrengabe der Schillerstiftung 1996

Zoë Jenny

geboren 1974 in Basel, wuchs in Griechenland, im Tessin und in Basel auf. Seit 1993 erschienen erste Kurzgeschichten Jennys in Literaturzeitschriften in der Schweiz, in Deutschland und Österreich. 1997 nahm sie an den Solothurner Literaturtagen und am Ingeborg Bachmann Wettbewerb in Klagenfurt teil. 1998/99 lebte sie mehrere Monate in New York und unternahm weitere Auslandsreisen, u.a. nach China und Japan.

Publikationen:

Das Blütenstaubzimmer (1997) (übersetzt in 21 Sprachen)
Der Ruf des Muschelhorns (2000)

Auszeichnungen:

3sat-Stipendium beim Ingeborg Bachmann Wettbewerb in Klagenfurt 1997
Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung 1997
aspekte-Literaturpreis für das beste deutschsprachige Debüt 1997

Herta Müller

1953 in Nitzkydorf/Rumänien geboren, studierte von 1972 bis 1976 Germanistik und Romanistik an der Universität von Temeschwar. Sie arbeitete zunächst als Übersetzerin und Deutschlehrerin, wurde jedoch aufgrund ihrer Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Geheimpolitzei (Securitate) aus dem Schuldienst entlassen. Seit 1984 arbeitete sie als freie Schriftstellerin. Bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik im März 1987 hatte sie in Rumänien Arbeits- und Publikationsverbot. Heute lebt und arbeitet Herta Müller in Berlin.

Publikationen:

Der Fuchs war damals schon Jäger (1992)
Niederungen (1993)
Herztier (1994)
Hunger und Seide (1995)
Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt (1995)
Reisende auf einem Bein (1995)
Heute wär ich mir lieber nicht begegnet (1997)

Auszeichnungen:

Kritikerpreis (Sparte Literatur) des SWF, Baden-Baden, 1992
Kleist-Preis 1994
Europäischer Literaturpreis Aristeion 1995
Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim 1995
Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 1995

Yoko Tawada

wurde 1960 in Tokyo geboren. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft kam sie mit der transsibirischen Eisenbahn 1979 zum ersten Mal nach Deutschland. Seit 1982 lebt sie in Hamburg, wo sie ihr Literaturstudium mit dem Schwerpunkt Deutsche Literatur abschloss. Yoko Tawada ist heute schriftstellerisch tätig; sie schreibt sowohl in japanischer als auch in deutscher Sprache.

Publikationen:
Das Fremde aus der Dose (1992)
Die Kranichsmaske, die bei Nacht strahlt (1993)
Tintenfisch auf Reisen (1994)
Talisman (1996)
Wie der Wind im Ei (1997)
Verwandlungen (1998)
Opium für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22 Frauen (2000)
Spielzeug und Sprachmagie in der europäischen Literatur (2000)

Auszeichnungen:

Gunzo-Shinjin-Bungaku-Sho 1991 für die japanische Originalfassung der Erzählung Fersenlos
Akutagawa-Sho (angesehenster japanischer Literaturpreis) 1993 für die japanische Originalfassung von Hundebräutigam
Lessingförderpreis der Stadt Hamburg 1994
Chamissopreis 1996

Dubravka Ugrešić

wurde 1949 in Kroatien geboren. Nach dem Studium der vergleichenden sowie der russischen Literatur war sie fast 20 Jahre lang am Institut für Literaturtheorie an der Universität Zagreb tätig. Sie beschäftigte sich v.a. mit der Kultur der russischen Avantgarde und übersetzte Werke mehrerer russischer Autoren wie u.a. Boris Pilnjak und Daiil Charms ins Kroatische. Daneben wurde sie mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit als Autorin im früheren Jugoslawien bekannt. Aus politischen Gründen beschloß Dubravka Ugrešić 1993, ihre Heimat zu verlassen. Zur Zeit hält sie sich in Amsterdam auf und lehrt am Slavischen Seminar der dortigen Universität.

Publikationen:

Der goldene Finger (1993)
My american Fictionary (1994)
Die Kultur der Lüge (1995)
Das Museum der bedingungslosen Kapitulation (1998)

Auszeichnungen:
Preis des besten jugoslawischen Romans 1988 für Fording the Stream of Consciousness (Durchschreiten des Bewußtseinsstroms)
Pris der SWF-Bestenliste 1998

Alissa Walser

wurde 1961 geboren. Sie studierte Malerei in New York und Wien. Neben ihrer Arbeit als Malerin übersetzte sie Theaterstücke aus dem Englischen und ist seit einigen Jahren auch schriftstellerisch tätig. Alissa Walser lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Publikationen:

Dies ist nicht meine ganze Geschichte (1994)
Graue Briefe (1997)
Die kleinere Hälfte der Welt (2000)

Auszeichnungen:
Ingeborg-Bachmann-Preis 1992 für die Erzählung Geschenkt