Am 18. Oktober 2022 ist Professor Dr. Friedrich Gönnenwein kurz vor Vollendung seines 89. Lebensjahres verstorben.
Nach dem Abitur in Homburg studierte er erst an der Stuttgarter Musikhochschule Klavier und Orgel und absolvierte ein Orgelbau-Praktikum in einer Hamburger Werkstatt. Diese Zeit prägte ihn sehr, was seine Studenten immer wieder interessiert erfahren durften. Doch schließlich entschloss er sich zum Wintersemester 1953/54, das Studium der Physik in Tübingen aufzunehmen.
1959 beendete er am Physikalischen Institut der Universität Tübingen seine Diplomarbeit. Dies war seine erste Begegnung mit der Kernspaltung, der er bis zur Emeritierung und darüber hinaus treu blieb. Auch seine Doktorarbeit mit dem Titel „238 Uranspaltung mit 14 MeV Neutronen“ beschäftigte sich mit diesem Thema. Anschließend wurde er 1964 am Physikalischen Institut der Universität Tübingen wissenschaftlicher Assistent, 1967 akademischer Rat, 1971 Habilitation, 1974 wissenschaftlicher Rat und außerplanmäßiger Professor, Dekan der Physik und schließlich 1978 C3-Professor für Kernphysik.
Nutznießer seiner Lehre waren fraglos die Studierenden. Welcher Student bzw. welche Studentin der Naturwissenschaften kannte in den 1980er-Jahren nicht seine Experimentalphysikbücher?
Ende der 1970er-Jahre wurde Friedrich Gönnenwein am Institut Laue-Langevin in Grenoble (ILL) als "Senior Scientist" angestellt. Dort am Höchstfluss-Neutronen-Reaktor beteiligte er sich u.a. am Aufbau des hochauflösenden Spaltspektrometers genannt „Cosi fan Tutte“, das fast ausschließlich von Tübinger Mitarbeitern gebaut und fester Bestandteil der ILL-Instrumente wurde. Er begleitete diese Position sechs Jahre von 1979 bis 1985.
Bei seiner Rückkehr nach Tübingen verlieh ihm die Universität aufgrund seiner besonderen Verdienste den Titel Ordinarius, eine seltene Ehrung! Wir erinnern uns auch an das darauffolgende Jahr 1986, in dem sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ereignete. Friedrich Gönnenwein und weitere Kernphysiker am Physikalischen Institut stellten sich umgehend der Verantwortung, ihr Wissen über Radioaktivität, Kernspaltung und Kernreaktoren in Aufklärungsveranstaltungen der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und auch Messungen an öffentlichen Plätzen wie Kinderspielplätzen und dergleichen vorzunehmen. Dieser GAU war dann der Ausgangspunkt, sich auch mit Umweltproblemen und der Zukunft unseres Planeten zu befassen. Konsequenterweise folgten Beiträge zu Studium-Generale-Veranstaltungen, für Studierende aller Fachrichtungen, in denen der sich ankündigende Klimawandel durch die Verbrennung fossiler Energien eine zunehmende Rolle spielte.
Den internationalen Austausch auch mit Wissenschaftlern aus dem damaligen Ostblock in den 1980er-Jahren hat er erfolgreich nach Fall des Eisernen Vorhangs weiter intensiviert und gepflegt. Auch aufgrund dieser Zusammenarbeit und gemeinsamer Experimente auf dem Gebiet der Kernphysik genoss er an internationalen Institutionen einen hervorragenden Ruf.
1998 ging Friedrich Gönnenwein zwar offiziell in den Ruhestand, doch von Ruhestand konnte eigentlich keine Rede sein. Denn er war weiterhin praktisch täglich am Institut, nahm aktiv an relevanten Seminaren und am Physik-Kolloquium teil und belebte mit grundlegenden Diskussionen das Institutsleben. Weiterhin betreute er immer noch eine Doktorandin in Frankreich und war begeistert mit der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen beschäftigt, was ihm bis zuletzt Einladungen zu Vorträgen in aller Welt eintrug. Noch im Jahr 2021 erschien eine Publikation von ihm in einer „Peer Review“ Zeitschrift.
Aber auch außerhalb der Wissenschaft hat sich Friedrich Gönnenwein engagiert: Lange Jahre hat er sich als Vorsitzender des Fördervereins Stiftskirchenorgel e.V. und für den Tübinger Orgelsommer eingesetzt, indem er seine Beziehungen und Kenntnisse der französischen Szene und Sprache einbrachte, um große Orgelkunst nach Tübingen zu engagieren.
Friedrich Gönnenwein war nicht nur ein begnadeter Hochschullehrer und äußerst erfolgreicher Forscher, sondern auch ein Mensch, der sich mit großem Engagement auch um die Zukunft unseres Planeten gekümmert hat. Seine Beiträge, auch zur deutsch-französischen Freundschaft, werden uns im Gedächtnis bleiben. Wir alle haben einen hochgeachteten Kollegen, Mitstreiter und Freund verloren.