UT-Alumna Rena Föhr kritisiert schambehaftete Bezeichnungen und macht Mut, dem eigenen Körper zu vertrauen. Im Interview erzählt sie, warum der Menstruationszyklus sie begeistert und wie ihr Studium der Medienwissenschaft und Romanistik ihr half, sich diesem Thema kritisch anzunähern.
Liebe Rena Föhr, Sie sind Journalistin, Autorin, Zyklus- und Sexualberaterin. Was genau beinhaltet Ihre Arbeit?
Als freie Autorin schreibe ich für verschiedene Medien wie Spiegel Online, Brigitte und SZ Jetzt. Zudem skripte, recherchiere und moderiere ich Videos für Unternehmen im Gesundheitsbereich. Meistens mit den Schwerpunkten Frauengesundheit, Sexualität und Partnerschaft. 2023 habe ich mein erzählendes Sachbuch Know Your Flow im Piper Verlag veröffentlicht, in dem es unter anderem darum geht, den eigenen Zyklus lesen und verstehen zu lernen. Mein zweites Standbein ist die Beratung. Ich berate Einzelpersonen oder Paare zu Fragen rund um Beziehung und Sexualität, häufig zu Kinderwunsch, Verhütung und Zyklus.
Wie kam es, dass Sie sich mit dem Thema Menstruations- und Zyklusgesundheit auseinandergesetzt haben?
Als Teenagerin bekam ich die Pille verschrieben, probierte mich durch verschiedene Präparate und hatte jedes Mal andere Nebenwirkungen. Anfang 20 beschloss ich, auf natürlichem Wege zu verhüten und setzte mich intensiv mit meinem Zyklus auseinander. Bis dato war mir mein Zyklus wie ein nerviges Rätsel vorgekommen. Plötzlich merkte ich, dass ich aus Temperaturschwankungen und Zervixschleim Rückschlüsse über meine fruchtbaren und unfruchtbaren Tage ziehen konnte. Aber auch meine Stimmung und mein Wohlbefinden veränderten sich zyklisch. Und so veränderte sich mein gesamtes Körpergefühl: Ich merkte, wie großartig mein Körper war – er zeigte mir, was in mir vorging, ich musste nur genau hinschauen. Ich empfand diese zyklusbedingten Veränderungen als sehr schön, nicht mehr als komisch oder eklig.
Sie haben in Tübingen Medienwissenschaft und Spanisch studiert. Hat Ihr Studium Ihren Blick dafür geschärft, Tabus zu hinterfragen?
Ja, definitiv. Im Studium habe ich gelernt, Medien kritisch zu rezipieren und Inhalte genau zu analysieren. Das heißt, mitzudenken, welche Intentionen oder Machtstrukturen sich in welchen Inhalten verbergen.
In Ihren Veröffentlichungen arbeiten Sie daran, die Sprache über Körper und Sexualität zu verändern. Warum ist es wichtig, andere Begriffe zu benutzen und wie hilft das, besser mit dem eigenen Körper umzugehen?
Unsere Sprache spiegelt wider, wie wir Dinge sehen und denken. Wenn wir Begriffe wie „Schamlippen“ oder „Schamhaare“ benutzen, reproduzieren wir die Annahme, dass diese Körperteile mit Scham behaftet sind. Oder wenn unsere gesamten Geschlechtsorgane unter „Scheide“ zusammengefasst werden – was nicht nur höchst ungenau ist, sondern ein passives Bild entwirft: Die Scheide ist der Hohlraum, in die das Schwert gesteckt wird. Obwohl wir das nicht jedes Mal reflektieren, macht das etwas mit unserem Körperbild. Wenn wir uns neue Begriffe aneignen, beispielsweise „Vulvalippen“ oder „Intimhaare“, kann das unser Selbstbewusstsein und Körpergefühl positiv verändern. Und wir sollten zwischen Vulva und Vagina unterscheiden, um Empfindungen und auch Beschwerden richtig zu benennen. Das ist schon für kleine Kinder wichtig; die richtigen Begriffe zu kennen, ist auch Teil der Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt.
Welche Botschaft möchten Sie Menschen mitgeben, die mit Zyklusbeschwerden und mentalen Herausforderungen kämpfen?
Die erste Botschaft ist: Sei wohlwollend mit dir selbst. Versuche, dir selbst ein:e Freund:in zu sein. Die Neigung, sich in solchen Momenten herabzusetzen, ist weit verbreitet. Die zweite Botschaft ist: Vertrau auf deine Wahrnehmung und achte darauf, welche Signale dein Körper dir sendet. Dieses Bewusstsein kann man üben. Dein Zyklus kann dir dann wie ein Kompass dienen. Die letzte Botschaft ist: Steh für dich ein und lass dich nicht abwimmeln, wenn beispielsweise in der Arztpraxis Schmerzen normalisiert werden.
Sie lesen an der diesjährigen UT Alumni-Lesung am 11. Dezember 2025. Was ist für dieses Event geplant?
Die Lesung, die den Titel „Der Zyklus als Kompass für Achtsamkeit und Empathie im Alltag“ trägt, lädt Menschen mit und ohne Zyklus dazu ein, sich dem Thema Menstruation und Zyklus auf wohlwollende Weise zu nähern. Der Zyklus wird hier weder verteufelt noch glorifiziert. Ich werde Passagen aus Know Your Flow lesen, die jeweils verschiedene Zyklusmomente beschreiben, und mit dem Publikum ins Gespräch gehen.
Welche Orte werden Sie besuchen, wenn Sie im Dezember in Ihre akademische Heimat zurückkehren?
Ich laufe sehr, sehr gerne durch die kleinen Gassen der Altstadt und finde es immer wieder beeindruckend, auf den Hölderlinturm zu blicken. Das werde ich beides auf alle Fälle wieder tun! Ein weiterer Ort, an dem ich viel Spaß hatte, war der Österberg bei Schnee. Dort bin ich im Winter mit meinen Wohnheims-Freund:innen immer wieder Schlittenfahren gegangen.
Das Interview führte Rebecca Hahn
Veranstaltungstitel: Der Zyklus als Kompass für Achtsamkeit und Empathie im Alltag: Alumni-Lesung mit Rena Föhr (Know Your Flow, 2023)
Datum: Donnerstag, 11.12.2025
Uhrzeit: 19:00 - 21:00 Uhr
Veranstaltungsort: Café Haag
Anmeldung: https://Alumni-Lesung-Foehr-Zyklus.eventbrite.de
Zur Lesung sind ausdrücklich alle Menschen eingeladen.
Registrieren Sie sich noch heute im Alumni-Netzwerk und gehören Sie zu den Ersten, die über neue Veranstaltungen und spannende Neuigkeiten informiert werden. Hier entlang zur Registrierung https://uni-tuebingen.de/de/207240 .