Professor Peter Kremsner ist Direktor des Instituts für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. Der Schwerpunkt der Forschung am Institut liegt auf Infektionskrankheiten wie Malaria, häufig in Zusammenarbeit mit dem Albert-Schweitzer-Krankenhaus in Lambaréné (Gabun). Da ein Kompetenzzentrum Tropenmedizin Baden-Württemberg in Tübingen angesiedelt ist, wird Kremsner häufig auch zum aktuellen Thema Ebola befragt. Jörg Schäfer wollte von ihm wissen, wie groß die Gefahr in Tübingen ist, was in einem Verdachtsfall passieren würde und wie die Tropenmediziner sich am Kampf gegen die Epidemie beteiligen.
Wie in jeder anderen deutschen Stadt besteht die Gefahr. Im Vergleich zur Größe Tübingens ist die Gefahr hier sogar etwas erhöht, weil die Stadt so international ist, aber auch, weil wir hier ein Kompetenzzentrum für Tropenmedizin für ganz Baden-Württemberg haben. Deshalb kommen Patienten mit Fieber unklarer Herkunft, die von einer Tropenreise zurückkehren, häufig zu uns. Die Gefahr durch Ebola ist aber weiterhin sehr, sehr gering und praktisch nur bei Patienten vorhanden, die aus Liberia, Sierra Leone oder Guinea kommen.
An unserem Institut haben wir einen Notfallplan, wie wir bei einem Verdacht vorgehen würden: Wo würde der Patient untergebracht, wer wird evakuiert, wer untersucht ihn – natürlich im Schutzanzug. Dann würden wir das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart informieren und den Patienten zur Diagnose und zur Behandlung dorthin verlegen.
Die Erkrankung ist sehr ansteckend, allerdings nicht durch bloße Berührung, offenbar nicht einmal durch Tröpfcheninfektion. Es ist also Kontakt mit Exkrementen, Speichel, Erbrochenem oder Blut nötig. Darin aber ist die Virusbelastung sehr hoch, so dass schon der Kontakt mit kleinen Verletzungen oder Schleimhäuten reichen, um sich anzustecken. Ich selbst habe bei einem Ausbruch vor etwa 15 Jahren auch schon zwei Ebolafälle gesehen. In der Albert-Schweitzer-Klinik in Lambaréné (Gabun) wurden sie ohne spezielle Schutzanzüge behandelt, dann in die Hauptstadt Libreville verlegt und starben wenige Tage später, ohne jemanden angesteckt zu haben.
So ist es bei den etwa 20 Ausbrüchen bisher, die sehr gut beschrieben sind, immer gewesen. Die Epidemie ist dadurch immer von selbst ausgelaufen. Zum Schluss gab es wahrscheinlich immer nur noch Infizierte, die keine Krankheitssymptome mehr zeigten. In Gabun, einem Endemiegebiet von Ebola, gibt es hohe Seroprävalenzen in der Bevölkerung. Die Bewohner haben also Antikörper, die darauf hindeuten, dass sie bereits eine Infektion durchgemacht und überlebt haben.
Wir sind keine Ebola-Forscher. Aber wir sind Spezialisten für klinische Studien. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) uns im August für eine Impfstudie ausgewählt. Wir werden spätestens ab November in Lambaréné die erste klinische Prüfung eines Ebola-Impfstoffs in Afrika durchführen. Gleichzeitig führen Kollegen in den USA, in Hamburg und in Genf Prüfungen dieses Impfstoffkandidaten durch. Wir hoffen, dass wir noch im November erste Ergebnisse bekommen. Dann soll die WHO in der Lage sein zu sagen, ob dieser bisher nicht erprobte Impfstoff für die afrikanischen Völker in Westafrika verträglich und immunogen ist. Er soll noch während des aktuellen Ausbruchs eingesetzt werden.