Einen Tag nach Weihnachten 2016 ist in Tübingen im Alter von 91 Jahren der langjährige Ordinarius für Kunstgeschichte Professor Dr. Klaus Schwager gestorben. Ein Vierteljahrhundert nach Schwagers Emeritierung (1990) weist das hiesige Kunsthistorische Institut noch immer gewichtige Spuren seiner akademischen Tätigkeit auf.
Der 1925 im fernen Kabul als Sohn eines Diplomaten geborene Gelehrte, übernahm nach einer Promotion in Tübingen und mehreren Zwischenstationen im Jahre 1971 die Leitung des Tübinger Institutes, dessen Geschicke und Struktur er in den nächsten zwei Dekaden nachhaltig prägen sollte. Am Anfang der 1970er-Jahre hat Schwager souverän den komplizierten Umzug des Institutes in die Alte Burse gemeistert und es dort geistig und räumlich neu aufgestellt. Unter seiner Leitung erfolgte in der bewegten Dekade der Studentenrevolte die Stabilisierung und in den nachfolgenden achtziger Jahren der Ausbau des Institutes. Konflikte im Institut, auch solche ideologischer Art, hat Klaus Schwager mit dem gleichsam angeborenen Takt eines Diplomaten entschärft, mit großem Geschick hat er die Kunstgeschichte mit anderen geistesgeschichtlichen Disziplinen vernetzt. Dabei hat Ihm auch sein großzügiger und manchmal im besten Sinne des Wortes grandseigneuraler Habitus geholfen.
Vor allem war er ein Könner der universitären Lehre. Seine Vorlesungen und Seminare erfreuten sich großer Popularität, inmitten seiner Studenten und Hörer blühte er sichtlich auf. Besonders gefragt war er als Doktorvater. Er beherrschte virtuos die Kunst hohe Ansprüche an Geist und handwerkliche Herausarbeitung der jeweiligen Dissertation zu stellen, aber gleichzeitig dem oft unsicheren oder verängstigten Doktoranden eine psychologisch fundierte Hilfe angedeihen zu lassen. Legendär war die Art, wie er sensible Doktoranden durch eine kurze Umarmung vor dem Rigorosum auf die kommende schwierige Prozedur einstimmte. Die imponierende Zahl von über fünfzig Dissertationen – die meisten von ihnen auf hohem Niveau - und eine wahrhaft rührende Anhänglichkeit seiner ehemaligen Doktoranden zeugen beredt von Schwagers Erfolg als Hochschullehrer.
Als Kunsthistoriker ist Klaus Schwager mit wichtigen Arbeiten zur deutschen Barockplastik, der italienischen Architektur des Manierismus und der Künstlerzeichnung hervorgetreten, seine Vorgehensweise war durch eine minutiöse Verbindung von Formanalyse und dokumentarischer sowie ikonographischer Evidenz geprägt. Bei der Veröffentlichung seiner Arbeiten war ihm sein angeborener Perfektionismus manchmal etwas hinderlich. Kurz vor Weihnachten sind aber zwei Bände (über tausend Seiten) seines lange erwarteten, großen Werkes über das berühmte, barocke Klosterensemble von Ottobeuren erschienen, weitere Bände sollen folgen, Klaus Schwager hat sie noch in seinen letzten Tagen in den Händen gehabt. Und so kann man angesichts der unerbittlichen Zäsur auch dieses Todes mit tieferer Berechtigung von einem non omnis moriar sprechen.