Uni-Tübingen

Aktuelle Informationen

22.03.2017

Neue Hoffnung für die Saigas?

Saiga-Antilopen waren deutlich flexibler als gedacht.

Saigas waren in der Eiszeit noch weit verbreitet, heute sind sie nur noch in Zentralasien und Russland zu finden. © Bayarbaatar Buuveibaatar

Senckenberg-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die heute vom Aussterben bedrohte Saiga-Antilope in der Vergangenheit sehr viel flexibler bei der Wahl ihres Lebensraumes und ihrer Nahrung war als bisher vermutet wurde. Die Wissenschaftler verglichen anhand von Kohlenstoff- und Stickstoffisotopen im Kollagen der Antilopenknochen die Ernährung fossiler und heutiger Saigas. In der kürzlich im Fachjournal „Quaternary Science Reviews“ erschienenen Studie kommen sie zu dem Schluss, dass aktuelle Populationen nicht zwingend an ihren derzeitigen Lebensraum gebunden sind. Diese Erkenntnis macht neue Hoffnung für die bedrohte Tierart.

Während der letzten Eiszeit waren Saiga-Antilopen weit über die Nordhalbkugel verbreitet und wanderten gemeinsam mit Mammuten durch die Kältesteppen – heute trifft man die Tiere mit den charakteristischen, rüsselartigen Nasen nur noch in Zentralasien und Russland. „Uns hat interessiert warum der Lebensraum der Saiga-Antilopen heute viel stärker begrenzt ist, als in der Zeit vor 45.000 bis 10.000 Jahren“, erklärt Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) an der Universität Tübingen und fährt fort: „Konnten sich die damaligen Tiere besser an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen oder sind die heutigen Antilopen vielleicht gar nicht an ihren derzeitigen Lebensraum gebunden?“

Die Fragestellung, die der Tübinger Biogeologe gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Dorothée Drucker und einem internationalen Team nachging, hat einen ernsten Hintergrund: Die Saigaantilope ist vom Aussterben bedroht. Die durch Wilderei bereits stark geschrumpften Bestände sind zusätzlich durch immer wieder auftretende Virusinfektionen bedroht: seit Anfang des Jahres verendeten 2500 Tiere in der westmongolischen Provinz Chowd- Aimag – ein Viertel des Gesamtbestandes der Mongolei. „Falls heutige Saiga-Antilopen – wie ihre eiszeitlichen Vorfahren – auch außerhalb von semi-ariden Steppen überleben könnten, wäre beispielsweise die Gefahr einer solchen Epidemie nicht so groß“, erläutert Drucker.


Um diese Möglichkeit zu untersuchen, hat das Forscher-Team die Kohlenstoff- und Stickstoffisotopie im Kollagen 76 fossiler und 52 rezenter Saigaknochen und -haaren verglichen. Kollagen ist ein wesentlicher organischer Bestandteil des Bindegewebes in Knochen, Zähnen, Knorpeln, Sehnen, Bändern und der Haut. Die Zusammensetzung der Isotope im Knochenkollagen gibt Auskunft über die Nahrungsgewohnheiten.

„Anders als bisher vermutet, ernährten sich die Saigas der letzten Eiszeit sehr viel flexibler, als ihre heutigen Vertreter – wir gehen daher davon aus, dass die gegenwärtigen Saigas nur in einer der für sie möglichen ökologischen Nischen leben“, legt Bocherens dar und resümiert: „Für den Schutz der Saigas bietet das Ausweichen in andere, auch kältere Gebiete eine große Möglichkeit. Das sollte bei der Entwicklung von Schutzprogrammen berücksichtigt werden.“

Kontakt

Prof. Dr. Hervé Bocherens
Dr. Dorothée Drucker
Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP)
Eberhard Karls Universität Tübingen
Tel. 07071- 29-76988
herve.bocherensspam prevention@uni-tuebingen.de
dorothee.druckerspam prevention@ifu.uni-tuebingen.de


Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Tel. 069- 7542 1434

pressestellespam prevention@senckenberg.de

Publikation

Jonathan Jürgensen, Dorothée G. Drucker, Anthony J. Stuart, Matthias Schneider, Bayarbaatar Buuveibaatar, Hervé Bocherens, Diet and habitat of the saiga antelope during the late Quaternary using stable carbon and nitrogen isotope ratios, Quaternary Science Reviews, Volume 160, 15 March 2017, Pages 150-161, ISSN 0277-3791, http://dx.doi.org/10.1016/j.quascirev.2017.01.022.

Saigas waren in der Eiszeit noch weit verbreitet, heute sind sie nur noch in Zentralasien und Russland zu finden. © Bayarbaatar Buuveibaatar Die Bestände der Antilopen sind gering: Saigas sind vom Aussterben bedroht. © Bayarbaatar Buuveibaatar
Saigas waren in der Eiszeit noch weit verbreitet, heute sind sie nur noch in Zentralasien und Russland zu finden. © Bayarbaatar Buuveibaatar Die Bestände der Antilopen sind gering: Saigas sind vom Aussterben bedroht. © Bayarbaatar Buuveibaatar
Schädel einer fossilen Saiga-Antilope aus Alaska. © Anthony Stuart Diorama mit Saiga-Antilopen im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt. © Senckenberg
Schädel einer fossilen Saiga-Antilope aus Alaska. © Anthony Stuart Diorama mit Saiga-Antilopen im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt. © Senckenberg

Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

Die Universität Tübingen

Die Universität Tübingen gehört zu den elf deutschen Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. In den Lebenswissenschaften bietet sie Spitzenforschung im Bereich der Neurowissenschaften, Transnationalen Immunologie und Krebsforschung, der Mikrobiologie und Infektionsforschung sowie der Molekularbiologie. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Geo- und Umweltforschung, Archäologie und Anthropologie, Sprache und Kognition sowie Bildung und Medien. Mehr als 28.400 Studierende aus aller Welt sind aktuell an der Universität Tübingen eingeschrieben. Ihnen steht ein Angebot von rund 300 Studiengängen zur Verfügung – von der Ägyptologie bis zu den Zellulären Neurowissenschaften.

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung
Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
Telefon +49 7071 29-77853
Telefax +49 7071 29-5566
janna.eberhardt[at]uni-tuebingen.de

www.uni-tuebingen.de/aktuelles

Downloads

Zurück