Uni-Tübingen

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01.08.2022

Wie das Klima während Kalt- und Warmzeiten schwankt

Internationales Forschungsteam um die Tübinger Professorin Kira Rehfeld simuliert das Klima vor und nach einer globalen Erwärmung, um Veränderungen der Klimastabilität zu erforschen

Die aktuelle Erderwärmung geht auf starke Eingriffe des Menschen zurück. Vor allem die steigenden Treibhausgasemissionen verändern die Strahlungsbilanz des Planeten. „Wie sich dadurch insgesamt im Schnitt Klimaparameter wie Temperatur oder Niederschlagsmengen verändern, ist bereits gut erforscht“, berichtet die Professorin für Klimatologie und Biosphäre an der Universität Tübingen Kira Rehfeld. „Doch gibt es daneben eine natürliche Klimavariabilität, über die wir noch nicht so viel wissen.“ Sie wird durch die Wechselwirkung zwischen Ozeanen und Atmosphäre verursacht. Außerdem führen sogenannte Antriebe wie Änderungen der Sonnenintensität oder Vulkanausbrüche, die durch Asche und andere Partikel die Reflektivität der Atmosphäre beeinflussen, zu Änderungen der Strahlungsbilanz der Erde, was klimatische Schwankungen zur Folge hat.

Rehfelds Team hat nun untersucht, wie die Klimavariabilität vom mittleren Zustand des Erdklimas abhängt. Sie stelle eine wichtige Größe für die Abschätzung potenzieller Risiken und Schäden für Natur und Mensch durch das Klima dar wie beispielsweise durch Dürreperioden, erklärt die Wissenschaftlerin.

Simulation eines kalten und warmen Erdklimas

Vor circa 21.000 Jahren reichten große Eisschilde weit nach Zentraleuropa, Russland und Nordamerika, und es war deutlich kälter als heute. Auf diese Kaltzeit folgte aufgrund langsamer Veränderungen der Erdachse die heutige Warmzeit. „Die globale Temperaturänderung dieses Übergangs zwischen Kalt- und Warmzeit liegt in der gleichen Größenordnung, wie jene, die für die kommenden Jahrhunderte durch die menschengemachte globale Erwärmung vorhergesagt wird“, sagt Rehfeld. Die Untersuchung der Variabilität in der Vergangenheit könne daher helfen, mögliche künftige Änderungen besser zu verstehen.

In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde, führte Rehfeld mit ihrem Team verschiedene Klimasimulationen durch. Mit Hilfe eines Klimamodells (Hadley Centre Coupled Model version 3) simulierte Rehfeld das Klima für den Höhepunkt der letzten Kaltzeit, das sogenannte Letzte Glaziale Maximum, und in der vorindustriellen Warmzeit um 1850. Anschließend analysierte das Team die Klimavariabilität in beiden Klimazuständen. Die Forschenden interessierte vor allem, wie sich der natürliche Strahlungsantrieb durch Vulkanausbrüche und Sonnenaktivität auf die Variabilität auswirkt. „Wir haben mithilfe der Simulationen festgestellt, dass die globale Temperaturvariabilität im kalten und warmen Klima insgesamt ähnlich auf die Antriebe reagiert, selbst auf die größten Vulkanausbrüche der letzten 1000 Jahre. Diese Stabilität war für uns überraschend“, erklärt Rehfeld.

Variabilität durch Meereis und natürliche Antriebe

Das Forschungsteam stellte außerdem fest, dass die simulierte lokale Temperaturvariabilität im kalten Zustand insgesamt höher ausfällt. „Unterschiede in Temperaturänderungen durch Vulkanausbrüche treten häufiger in Regionen auf, in denen sich Eis bilden kann, wie im antarktischen Ozean und der Barentssee“, berichtet Beatrice Ellerhoff, Physik-Doktorandin und Erstautorin der Studie. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Elisa Ziegler hat sie diese Analyse mit dem zuvor von Ziegler weiterentwickelten zwei-dimensionalen Klimamodell „TransEBM“ vertieft. Sie konnten die Unterschiede einem veränderten Beitrag durch die Dynamik des Meereises zuschreiben.

Die Forscherinnen verglichen die Daten aus ihren Simulationen mit Daten aus Paläoklimaarchiven, wie sie in den Jahresringen von Bäumen, in Eisbohrkernen und Meeressedimenten gespeichert sind. „Die Analyse ergab, dass unsere Simulationen, in denen wir die Variabilität durch den natürlichen Antrieb aus Vulkanen und der Sonnenaktivität berücksichtigen, gut mit der rekonstruierten Variabilität übereinstimmen. Das galt zum Beispiel auch für den jahrzehntelangen Zeitraum nach einem Vulkanausbruch“, fasst Ellerhoff die Ergebnisse zusammen.

Kommende Forschungsprojekte sollen helfen, die Wechselwirkungen zwischen den Komponenten des Erdsystems sowie Änderungen der planetaren und regionalen Empfindlichkeit noch besser zu verstehen, um die künftige Variabilität präziser vorhersagen zu können. Rehfeld will weiter erforschen, welche Mechanismen zu Klimaschwankungen beitragen und wie diese in Raum und Zeit simuliert werden können. „Nun gilt es, unsere Ergebnisse mit Klimamodellen zu testen, welche eine bessere Darstellung der Rückkopplungseffekte aufweisen, beispielsweise durch Vegetationsänderungen und Wolkenbildung. Rückkopplungen im dynamischen Klimasystem könnten die Reaktion auf Vulkane insbesondere in extremen Erwärmungsszenarien erheblich verändern“, erklärt sie.

Link zum Video: https://www.pressefotos.uni-tuebingen.de/20220801_Temperatur_nach_Vulkan.mp4

Beatrice Ellerhoff/JE, Hochschulkommunikation

Publikation:

Ellerhoff, B., Kirschner, M. J., Ziegler, E., Holloway, M. D., Sime, L., and Rehfeld, K.: Contrasting State‐Dependent Effects of Natural Forcing on Global and Local Climate Variability. Geophysical Research Letters, 49(10), https://doi.org/10.1029/2022GL098335, 2022.

Kontakt:

Prof. Dr. Kira Rehfeld
Universität Tübingen
Klimatologie und Biosphäre
Geo- und Umweltforschungszentrum
kira.rehfeldspam prevention@uni-tuebingen.de 

https://uni-tuebingen.de/climatology 
https://twitter.com/weather2climate

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