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16.10.2025

Was Knochen erzählen: Skelette aus Ostkroatien waren vermutlich römische Soldaten, die im Kampf starben

Forschungsteam der Universitäten Zagreb und Tübingen sowie des Archäologischen Museums Osijek untersucht menschliche Überreste aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. mit einer Vielzahl von Methoden

Aus diesem Brunnen aus der Römerzeit in Osijek, Kroatien, wurden die Skelette von sieben Menschen geborgen und untersucht.

Bei sieben Individuen aus der Spätantike, die aus einem Brunnen in der früheren römischen Stadt Mursa, heute Osijek in Ostkroatien, geborgen wurden, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um im Kampf getötete römische Soldaten. Unter der Leitung von Dr. Mario Novak vom Institut für Anthropologische Forschung in Zagreb, Kroatien, und von Professor Cosimo Posth von der Universität Tübingen untersuchte ein multidisziplinäres Forschungsteam die menschlichen Überreste. Die Forscherinnen und Forscher kombinierten bioarchäologische Methoden, Isotopenmessungen und Methoden zur Erfassung alter DNA, um den Krankheitszustand, die Ernährungsmuster und das genetische Profil der Menschen zu klären. Die direkte Radiokarbondatierung, die verfügbaren historischen und archäologischen Aufzeichnungen wie auch die biologischen und genetischen Charakteristika deuten darauf hin, dass die Männer Opfer eines katastrophalen Ereignisses in der sogenannten Reichskrise des dritten Jahrhunderts wurden. So oder auch als Zeit der Soldatenkaiser wird der Zeitraum von 235 bis 285 n. Chr. im Römischen Reich bezeichnet, in dem das Imperium mit mehreren inneren und äußeren Krisen konfrontiert wurde.

In der Spätantike gab es zwei große Schlachten nahe der heutigen Stadt Osijek in Ostkroatien, in der römischen Phase als Mursa bekannt. Die erste brach 260 n. Chr. aus, als Kaiser Gallienus den Anwärter auf den kaiserlichen Thron Ingenuus zurückdrängte. Die zweite Schlacht wurde zwischen dem Kaiser Constantius und dem Thronräuber Magnentius im Jahr 351 n. Chr. geschlagen. Diese Schlachten wurden von zeitgenössischen Quellen als zwei der blutigsten Schlachten in der Geschichte des Römischen Reiches bezeichnet mit Tausenden von Toten auf allen Seiten.

Schwere Verletzungen

„Wir haben die Individuen aus Osijek näher untersucht, weil uns die ungewöhnlichen Bestattungsumstände und die große Zahl an schweren Verletzungen an den Skeletten auffiel“, sagt Mario Novak, der Erstautor der Studie. „Das Geschlecht und das Alter der Individuen zum Todeszeitpunkt sowie zahlreichen Verletzungen weisen darauf hin, dass es sich um Opfer eines katastrophalen Ereignisses handelt, sehr wahrscheinlich einer Schlacht, die mit schweren Waffen ausgetragen wurde“, fügt die Co-Autorin Slavica Filipović hinzu. Sie ist Archäologin am Archäologischen Museum Osijek und leitete die Ausgrabungen. Dr. Mario Carić, ein weiterer Co-Autor der Studie und Postdoktorand am Zentrum für Angewandte Bioanthropologie des Instituts für Anthropologie an der Universität Zagreb, berichtet weiter: „Die Isotopenanalyse deutet darauf hin, dass die Ernährung der sieben Individuen aus Osijek eher eintönig war und mit der von römischen Soldaten übereinstimmte, wie wir sie aus zeitgenössischen historischen Quellen kennen.“

„Alle Individuen aus dem Massengrab in Mursa, deren Erbgut wir neu sequenziert haben, zeigen eine hohe genetische Diversität. Interessanterweise entspricht keines der DNA-Profile der vier Individuen, von denen ausreichend Erbsubstanz für die Analyse gewonnen werden konnte, dem lokalen eisenzeitlichen genetischen Profil. Eine der nichtlokalen Abstammungslinien, die bei den Individuen festzustellen waren, ist Nord-/Zentraleuropa oder Osteuropa zuzuordnen, eine weitere Linie führt in den Nahen Osten“, fügt Orhan Efe Yavuz hinzu, Co-Autor der Studie und Doktorand am Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie im Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen.

„Die unterschiedliche genetische Herkunft der Individuen in einem militärischen Zusammenhang stimmt mit historischen Berichten über die spätrömischen Armeen überein, die häufig ethnisch diverse Gruppen wie Sarmaten, Sachsen und Gallier einsetzten“, sagt der Tübinger Studienleiter Cosimo Posth. „Die genetische Diversität der von uns untersuchten Individuen aus der römischen Zeit Osijeks stützt die Annahme, dass es sich um ein Soldatengrab handelt.“

Zusammenfassend sagt der Zagreber Studienleiter Novak: „Alle multidisziplinären Beweisstränge, die in dieser Studie kombiniert werden, darunter auch neue Radiokarbondatierungen, deuten darauf hin, dass die in diesem Brunnen abgelegten Individuen aus der blutigen Schlacht von Mursa 260 n. Chr. stammen.“

Universität Zagreb/JE, Hochschulkommunikation der Universität Tübingen

Publikation:

Mario Novak, Orhan Efe Yavuz, Mario Carić, Slavica Filipović, Cosimo Posth: Multidisciplinary study of human remains from a 3rd century mass grave in the Roman city of Mursa, Croatia. PLOS ONE, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0333440 

Kontakt:

Prof. Dr. Cosimo Posth
Universität Tübingen
Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie, Fachbereich Geowissenschaften
Telefon +49 7071 29-74089
cosimo.posthspam prevention@uni-tuebingen.de 

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