Uni-Tübingen

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04.09.2025

Zwei neue Starting Grants des Europäischen Forschungsrats in der Pflanzenforschung und Medizin

Hochdotierte Projektförderungen für eine Wissenschaftlerin und einen Wissenschaftler der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen.

Dr. Joel Frohlich vom fMEG-Zentrum für Fetale Magnetoenzephalographie der Medizinischen Fakultät und Dr. Clémence Marchal vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen haben jeweils einen sogenannten Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) eingeworben. Starting Grants werden an exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aller Fächer früh in der Karriere – im Zeitraum von zwei bis sieben Jahren nach der Promotion – vergeben. Mit dem Grant ist eine fünfjährige Projektförderung von regulär bis zu 1,5 Millionen Euro plus eventuellem Mehrbedarf verbunden. Joel Frohlich will in seinem Projekt FETAL-MIND mithilfe der Magnetenzephalographie erforschen, wie das Gehirn vor der Geburt soziale Eindrücke verarbeitet. Clémence Marchal wird im Projekt CooPAIRation untersuchen, wie pflanzliche Immunrezeptoren optimiert werden können, um eine Grundlage für die Verbesserung von Krankheitsresistenzen bei Nutzpflanzen zu schaffen.

‚„Die stetigen Erfolge von Forscherinnen und Forschern der Universität Tübingen beim Einwerben der begehrten Starting Grants werfen Schlaglichter auf das große wissenschaftliche Potenzial, das in zahlreichen unserer Fächer vorhanden ist“, sagte Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen.‘

Joel Frohlich – Frühe soziale Wahrnehmung: Einblicke in die Gedankenwelt des Fötus

Was nimmt das menschliche Gehirn schon im Mutterleib wahr? Mit dieser Frage beschäftigt sich Joel Frohlich in seinem Projekt „Do fetuses perceive social stimuli? A magnetoencephalography investigation of the prenatal mind” (FETAL-MIND) – Nehmen Föten soziale Reize wahr? Eine magnetoenzephalographische Untersuchung der pränatalen Gedankenwelt –, das vom ERC über einen Zeitraum von fünf Jahren mit insgesamt 1,5 Millionen Euro gefördert wird. Frohlich will erforschen, ob Föten in den letzten Wochen vor der Geburt bereits unterscheiden können, ob sie Stimmen hören oder gesichtsähnliche Formen erkennen – und ob ihr Gehirn dabei anders reagiert als auf neutrale Geräusche oder Bilder.

Auch wenn wir uns den Mutterleib oft wie einen geschützten, abgeschlossenen Raum vorstellen, ist er keineswegs völlig abgeschirmt. Geräusche von außen dringen – wenn auch leiser – bis zum Fötus vor, und auch Licht kann die Gebärmutter durch die Bauchdecke erreichen. Genau diese Eigenschaften nutzt Frohlich mit seinem Forschungsteam: Er spielt vorab aufgezeichnete Stimmen ab und projiziert mithilfe spezieller Technik rote Lichtpunkte in Form eines Gesichts in die Gebärmutter. Reagiert das ungeborene Gehirn stärker auf diese sozialen Reize? Um diese Fragen im Zusammenhang mit der pränatalen sensorischen Verarbeitung zu klären, kommt in Tübingen ein einzigartiges Messverfahren zum Einsatz: die sogenannte fetale Magnetoenzephalographie (fMEG), von der es weltweit nur zwei Geräte gibt. Zusätzlich wird an einer neueren, flexibleren Technologie getestet – den optisch gepumpten Magnetometern (OPMs), die einen breiteren Einsatz ermöglichen könnten.

Welche gesellschaftliche Relevanz hat die Forschung? Zu verstehen, wann und wie das Gehirn beginnt, soziale Signale wahrzunehmen, könnte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen, Frühindikatoren für neurologische Entwicklungsstörungen zu entwickeln. Darüber hinaus könnte die Validierung flexibler und kostengünstiger Techniken wie OPMs dazu beitragen, dass fortschrittliche Studien zum fetalen Gehirn weltweit für mehr Kliniken und Familien zugänglich werden. „Dank der 1,5 Millionen Euro Förderung durch den ERC könnte die Forschung, die ich hier in Tübingen durchführe, bald Aufschluss darüber geben, wie wir bereits im Mutterleib beginnen, mit der sozialen Welt zu interagieren. Ich freue mich sehr, dass dieses Projekt die fetale Neurowissenschaft zugänglicher machen und gleichzeitig unser Wissen über die Wahrnehmung von Föten erweitern könnte“, sagt Joel Frohlich.

Kontakt:
Dr. Joel Frohlich
Universitätsklinikum Tübingen
Innere Medizin IV, Klinik für Diabetologie, Endokrinologie, Nephrologie, Medizinische Universitätsklinik
fMEG-Zentrum der Universität Tübingen
joel.frohlichspam prevention@uni-tuebingen.de 

Clémence Marchal – Bessere Immunabwehr für den Weizen

Clémence Marchals Projekt „Optimised plant immune receptor pairs for improved disease resistance“ (CooPAIRation) – Optimierte Pflanzenimmunrezeptorpaare für eine verbesserte Krankheitsresistenz – wird vom ERC mit insgesamt 1,65 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren gefördert. Mithilfe von Methoden des Bioengineering will sie neue Strategien entwickeln, mit denen das Immunsystem von Nutzpflanzen besser als bisher auf neu auftretende Krankheitserreger reagieren kann.

Dass sie von Krankheitserregern wie Bakterien, Viren oder Pilzen befallen wird, nimmt eine Pflanze über Rezeptoren in ihren Zellen wahr, die von den Eindringlingen stammende Moleküle als fremd erkennen. Daraufhin werden Immunreaktionen angestoßen: „Die Abwehrstrategie der Pflanzen besteht häufig darin, das Gewebe um die infizierten Zellen herum gezielt absterben zu lassen. So wird der Krankheitserreger isoliert und kann sich nicht weiter ausbreiten“, erklärt Marchal. Sie konzentriert sich auf die Erforschung des ersten Schritts, die Rezeptoren. „Bestimmte Rezeptoren binden sowohl ein Protein des Krankheitserregers und lösen auch direkt die Immunabwehr der Pflanze aus. Mich interessieren jedoch vor allem Rezeptorpaare, bei denen die beiden Funktionen der Erkennung einerseits und das Anstoßen der Immunantwort andererseits auf zwei verschiedene Rezeptoren verteilt sind.“ Die Arbeitsteilung wirkt umständlich, bietet aber der allgemeinen Einschätzung der Wissenschaft zufolge der Evolution und Anpassung an neue Krankheitserreger flexiblere Möglichkeiten.

„Ich will verstehen, wie Rezeptorpaare miteinander kommunizieren und wie Mutationen in diesen Rezeptoren die Immunantwort beeinflussen“, sagt die Forscherin. Ihre hauptsächliche Modellpflanze ist Weizen, in dem viele Rezeptorpaare eine große genetische Diversität aufweisen. Sie will solche Paare im Labor neu zusammensetzen und so ergründen, welche minimalen Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass zwei Rezeptoren als Paar kompatibel sind. „Bei bisherigen Versuchen, Immunrezeptoren neu zu paaren, war die Immunantwort der Pflanze oft nur schwach oder so stark, dass der Zelltod auch ohne Krankheitserreger eingeleitet wurde. Wenn wir mehr über die Grundlagen der Rezeptorkommunikation wissen, können wir gezielter neue Resistenzprofile entwickeln und die Abwehr auch gegen neu auftretende Krankheitserreger optimieren“, erklärt Marchal. Als Modellpflanze sei Weizen nicht einfach, weil er ein großes Genom, also einen großen Gesamtgenbestand, besitzt und eine vergleichsweise lange Generationszeit hat, sagt sie. „Vorteil ist aber, dass unsere Ergebnisse direkt relevant für eine wichtige Nutzpflanze sind.“

Kontakt:
Dr. Clémence Marchal
Universität Tübingen
Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen
Telefon +49 7071 29-76673
clemence.marchalspam prevention@zmbp.uni-tuebingen.de 

Steven Pohl, Stabsstelle Kommunikation und Medien, Universitätsklinikum Tübingen/Janna Eberhardt, Hochschulkommunikation, Universität Tübingen

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