Uni-Tübingen

Genug Luft zum Atmen

Drei Studien des Instituts für Arbeitsmedizin der Universität Tübingen veränderten die Empfehlungen zum Tragen von Masken am Arbeitsplatz während der Corona-Pandemie.

Nimmt uns eine Maske über Mund und Nase die Luft zum Atmen? Speziell, wenn wir bei der Arbeit Kisten schleppen oder Treppen steigen müssen?

Zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 kannte niemand genau die Antwort. Es gab Befürchtungen, Masken könnten bleibende Schäden verursachen. Für Unternehmen, ihre Mitarbeiter und die Unfallversicherungen war die Frage enorm wichtig. Orientierung bot nur eine Regel zur Benutzung von Atemschutzgeräten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeiten in „staubiger Umgebung“. Sie regelte, wie lange Masken getragen werden durften, zum Beispiel die schweren Masken über den ganzen Kopf, die beim Entfernen von Asbest getragen werden müssen. Über die Folgen von medizinischen Masken, die während der Corona-Pandemie lange Zeit vorgeschrieben waren, gab es noch keine Studien. 

Betriebsärzte und Arbeitsschützer baten deshalb das Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung der Universität Tübingen, die Auswirkungen von Masken am Arbeitsplatz zu erforschen. „Versuchspersonen haben Flaschen sortiert, Kisten geschleppt oder radelten auf einem Fitness-Rad, meist mehr als zwei Stunden lang. Mal hatten sie eine Maske auf, mal nicht. Wir haben dabei ihre Vitalfunktionen gemessen: Herzschlag, Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Kohlendioxidgehalt im Blut und körperliche Leistungsfähigkeit. Und wir haben auch nach dem subjektiven Wohlbefinden gefragt“, sagt Prof. Benjamin Steinhilber vom Institut für Arbeitsmedizin und Leiter der Studien. Die Ergebnisse der Studien waren eindeutig: „Das Wohlbefinden litt beim Maskentragen, die Messwerte der Vitalfunktionen lagen aber im Normalbereich, egal ob jemand eine Maske trug oder nicht“, so Benjamin Steinhilber. Auch das Geschlecht der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer oder ihre individuelle Fitness spielten keine Rolle.

In Arbeitskreisen zur Arbeitssicherheit in Unternehmen trug Steinhilber seine Ergebnisse vor. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung aktualisierte in Folge dieser und vergleichbarer Studien im November 2021 ihre Leitlinie, die bis heute für alle Unfallversicherungen gelten und nach denen sich die Arbeitgeber richten. Demnach braucht es aus gesundheitlichen Gründen keine zeitliche Einschränkung der Arbeitszeit wegen des Tragens von medizinischen Masken in Pandemiezeiten. Selbstverständlich sind dabei nach wie vor Ausnahmefälle zu betrachten, wie chronische Atemwegserkrankungen der Maskentragenden, Durchfeuchtung der Maske oder die individuelle Belastbarkeit.

Der wissenschaftliche Begutachtungsprozess dauerte länger. Steinhilber und Kollegen veröffentlichen schließlich 2022 und 2023 ihre Studien 123 in Fachjournalen, die heute als Referenz-Artikel zum Thema gelten. Auch eine Vielzahl anderer Institutionen hat mittlerweile die Auswirkungen vom Tragen medizinischer Masken am Arbeitsplatz auf die Vitalfunktionen beim Menschen untersucht und die Ergebnisse der Tübinger Studie bestätigt.


1 Robert Seibt, Mona Bär, Monika Rieger, Benjamin Steinhilber: „Limitations in evaluating COVID-19 protective face masks using open circuit spirometry systems: respiratory measurement mask introduces bias in breathing pressure and perceived respiratory effort”, Physiological Measurement, 13 January 2023

2 Steinhilber et al., Influence of Face Masks on Physiological and Subjective Response during 130min of Simulated Light and Medium Physical Manual Work. An Explorative Study, healthcare, 2023, 11, https://doi.org/10.3390/healthcare11091308 

3 Steinhilber et al., Effects of Face Masks on Physical Performance and Physiological Response during a Submaximal Bicycle Ergometer Test, International Journal of Environmental and Public Health, 2022, 19, https://doi.org/10.3390/ijerph19031063 

Text: Tilman Wörtz


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