Aktuell
21.04.2022
Dr. Leopold Lucas-Preis 2022 geht an die Judaistin Maren Niehoff
Feierliche Verleihung der Preise 2020 bis 2022 am 10. Mai
Der diesjährige Dr. Leopold Lucas-Preis der Evangelisch-Theologischen Fakultät wird der Historikerin, Judaistin, Religions- und Literaturwissenschaftlerin Maren R. Niehoff verliehen. Sie ist Max-Cooper-Professorin für Jüdisches Denken an der Hebrew University in Jerusalem. Ausgezeichnet wird sie für ihren interdisziplinären Zugang zu Fragen des Verhältnisses von Judentum, Christentum und griechisch-römischer Kultur. Der Dr. Leopold Lucas-Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.
Maren Niehoff hat umfangreiche Forschungen zu Philon von Alexandrien und zur jüdischen Bibelauslegung vorgelegt. Sie habe gezeigt, wie kulturelle Transferprozesse verlaufen und welche Auswirkungen sie zeitigen können, urteilte die Kommission zur Preisvergabe. Niehoffs viel beachtete Monografie Philon von Alexandria. Eine intellektuelle Biographie (dt. 2019 erschienen) sei „ein Lehrstück für eine methodisch präzise Verschränkung von Lebensweg und Schrifttum eines antiken Autors“.
Bei der Feier zur Preisverleihung werden neben dem diesjährigen Dr. Leopold Lucas-Preis auch die Preise der Jahre 2020 an Adam Seligman und Linda Woodhead und 2021 an Bernhard Waldenfels überreicht.
Die Feier findet statt am
Dienstag, 10. Mai 2022, um 14.45 Uhr im Festsaal der Universität Tübingen
(Neue Aula, Geschwister-Scholl-Platz, 72074 Tübingen)
Die interessierte Öffentlichkeit und Medien sind herzlich eingeladen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig,
die Veranstaltung findet unter den dann geltenden Hygienemaßnahmen statt.
Der Dr. Leopold Lucas-Preis für Nachwuchswissenschaftler geht in diesem Jahr an Dr. Friederike Portenhauser für ihre Dissertation in der Evangelischen Theologie unter dem Titel „Personale Identität in der Theologie des Paulus (HUTh 79)“.
Neben der diesjährigen Preisträgerin des Dr. Leopold Lucas-Preises für Nachwuchswissenschaftler werden bei der Feier auch Dr. Johannes Reich und Dr. Ruth Rebecca Tietjen ausgezeichnet, Preisträger des Jahres 2020 beziehungsweise Preisträgerin des Jahres 2021.
Mit dem Dr. Leopold-Lucas-Preis werden Menschen ausgezeichnet, deren wissenschaftliches Werk die Beziehungen zwischen Menschen und Völkern fördert und sich um die Verbreitung des Toleranzgedankens verdient gemacht hat. Der Preis wurde 1972 zum Gedenken an den jüdischen Gelehrten und Rabbiner Dr. Leopold Lucas gestiftet, der 1943 in Theresienstadt durch das NS-Regime ermordet wurde.
Weitere Informationen zum Dr. Leopold Lucas-Preis
Dr. Leopold Lucas-Preis 2020 für Linda Woodhead und Adam Seligman
Der Dr. Leopold Lucas-Preis 2020 ging zu gleichen Teilen an Linda Woodhead (England) und Adam Seligman (USA). Das Vergabekomitee würdigte zwei unterschiedliche und doch im Kern aufeinander bezogene Zugänge zum Zusammenhang zwischen Religion und Gesellschaft in der Gegenwart.
Professor Adam B. Seligman forscht am Institut für Kultur, Religion und Weltge-schehen der Universität Boston und ist vor allem in Israel und den USA tätig. Seine Arbeiten kreisen um die Frage, welchen Stellenwert Religion in einer pluralen Gesellschaft besitzen kann. Er schreitet das Feld zwischen klassischen religiösen Kompetenzen – im Bereich des Rituals, der Tradition und des Vertrauens – und der Notwendigkeit gegenseitiger Achtung in der multireligiösen Gesellschaft ab. Vor diesem Hintergrund engagiert er sich in gegenwärtigen Debatten über Religion und Toleranz.
Auch Linda Woodhead, Professorin für die Soziologie der Religion an der Universität Lancaster, ist eine gesellschaftlich engagierte Intellektuelle. Sie geht in zahlreichen Studien der Frage nach, wie sich Phänomene neuer Religiosität oder auch das Bewusstsein eines Verzichts auf Religion zu der traditionell in Europa und Großbritannien dominierenden und immer mehr zurückgehenden christlichen Religion verhalten. Von hier aus entwickelt sie einen angesichts der Vielfalt und Komplexität der Religionen nur noch selten gewagten, weiten Blick auf sehr unterschiedliche religiöse Phänomene – und doch auch, unter Beachtung der jeweiligen Rückwirkungen, speziell auf das Christentum.
Dr. Leopold Lucas-Preis 2021 für Bernhard Waldenfels
Der Dr. Leopold Lucas-Preis 2021 ging an den Philosophen Bernhard Waldenfels. Das Vergabekomitee würdigt damit sein Werk, das die Bedingungen und Möglichkeiten des Verstehens von Fremdem auslotet.
Bernhard Waldenfels (geb. 1934 in Essen) ist emeritierter Professor für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Er gehört zu den bedeutendsten Autoren im Bereich der zeitgenössischen Phänomenologie. Sein Werk, das mehr als 20 Bände umfasst und interdisziplinär rezipiert worden ist, widmet sich hauptsächlich der Entwicklung einer „Phänomenologie des Fremden“. Waldenfels gelinge es, die „Kategorie“ der Alterität, also des kulturellen Andersseins, durch die Perspektive der Fremdheit neu zu lesen, sagte die Jury. „Er stellt sich der Herausforderung, einen phänomenologischen Diskurs zu entwickeln, mit dem sich erfassen lässt, inwiefern sich das Fremde im instabilen und pluralistischen Terrain der Erfahrung auf eine authentische Weise offenbart und dadurch erkennbar bleibt.“
Waldenfels gilt als wichtige Figur in der zeitgenössischen Philosophie. Seine Arbeit habe sich explizit und in origineller Weise dem Projekt eines „genuinen“ Dialogs zwischen Nationen und Ländern gewidmet, so die Jury weiter. „Die Pluralität der Bereiche, in denen sich das Fremde offenbart, veranlasst Waldenfels dazu, sich nicht lediglich auf die Ergebnisse der phänomenologischen Forschung im engeren Sinne zu beschränken. Vielmehr erweitert er das Spektrum seiner Auseinandersetzung in unterschiedlichste Forschungsfelder wie etwa Sozialphilosophie, politische Philosophie, Recht und Ethik, den ethnologischen Diskurs sowie die Psychologie und die Psychoanalyse. Darüber hinaus widmet er Kunst und Literatur besondere Aufmerksamkeit.“
In seinem Werk spielt die jüdische zeitgenössische Philosophie eine besondere Rolle, die ihn zur Bedeutung des „radikalen Gesprächs“ geführt hat: Dieses bezieht das Fremde als eigenen Faktor des Verstehens ein. Aus dieser Perspektive des Fremden hat sich Waldenfels‘ Philosophie im Zeichen eines Dialogs zwischen philosophischen Traditionen Europas entwickelt, vor allem in seinem Versuch, die französische und deutsche philosophische Tradition in ein fruchtbares Gespräch zu bringen.
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