In Ägypten, Syrien und einer Reihe Länder in Subsahara-Afrika, darunter Nigeria, kämpfen verschiedene politische Gruppen um die staatliche Macht – und die internationale Staatengemeinschaft ist dabei in der Rolle des zögerlichen Beobachters. Unter welchen Umständen darf – oder muss – die internationale Gemeinschaft in laufende oder drohende Gewaltkonflikte eingreifen?
In Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 923 „Bedrohte Ordnungen“ an der Universität Tübingen diskutierten Ende Juli Schülerinnen und Schülern des 12. Jahrgangs der Wilhelm-Schickard-Schule Tübingen diese Fragen im konfessionsverbindenden Religionsunterricht unter der Leitung der beiden Lehrerinnen Maren Lauster und Judith Morris.
Ziel dieser Kooperation zwischen Schule und Universität Tübingen ist es, neuere Forschungsansätze, die im SFB 923 erarbeitet werden, didaktisch aufzubereiten und in schulische Bildungsprozesse einzuspielen. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr stellten dazu Mitarbeiter des Sonderforschungsbereiches den Schülern der Wilhelm-Schickard-Schule ihre Forschungsprojekte vor.
Beim Treffen im Juli verdeutlichte der Kirchenhistoriker Johannes Stollhof am Beispiel der Hungerkatastrophe im westafrikanischen Gebiet Biafra zwischen 1967 und 1970, wie Kirchen und kirchliche Hilfswerke die Hungersnot aufgrund umfassender medialer Berichterstattung und persönlicher Berichte Betroffener wahrnehmen konnten und in einer großangelegten ökumenischen Hilfsaktion das Überleben der Menschen in Biafra sicherzustellen versuchten. Daraus entsprang der Gedanke, dass die Welt nicht tatenlos zusehen dürfe, wenn Menschen durch innerstaatliche Konflikte existenziell bedroht seien. Dieses zunächst im kirchlichen Umfeld entstandene internationale Verantwortungsbewusstsein findet sich in der Schutzverantwortung („Responsibility to Protect“) seit den frühen 2000er-Jahren auch auf internationaler Ebene wieder, wie die Politikwissenschaftlerin Anne Theobald in ihrem Beitrag erklärte. Das Konzept diene als Richtlinie für die schwierige Abwägung, wann externe Intervention in innerstaatliche Angelegenheiten von Krieg und Frieden legal und legitim seien. Zum Abschluss stellte der Politikwissenschaftler Jan Sändig die gegenwärtige politische Lage in Nigeria mit Fokus auf die neuerliche Biafra-Protestbewegung dar. In Nigeria drohe der Kampf einer islamistischen Terrorgruppe zu einem landesweiten Bürgerkrieg zu eskalieren, was eine Intervention der Internationalen Gemeinschaft erforderlich machen könnte.
Yvonne Macasieb
Im interdisziplinären Sonderforschungsbereich (SFB) 923 „Bedrohte Ordnungen“ werden soziale Gefüge in Situationen untersucht, in denen die bestehende Ordnung durch innere oder äußere Faktoren bedroht ist. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen die Historisierung von Krisendiagnostiken sowie die Modi schnellen sozialen Wandels. Ihr Ziel ist unter anderem die Etablierung neuer Raum‐ und Zeitkategorien in den Geisteswissenschaften. Der SFB 923 wird seit dem 1. Juli 2011 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Dauer von vier Jahren gefördert. |
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