Der Übergang von der Antike zum Mittelalter war eine Zeit des Umbruchs: Zwischen 300 und 700 nach Christus entstanden das mittelalterliche Europa, der byzantinische Osten und der islamische Raum; Denken und Weltbild der Menschen veränderten sich grundlegend. Wenn Professor Dr. Sebastian Schmidt-Hofner in diese „sehr spannende Epoche“, wie er sagt, eintauchen möchte, liest er bevorzugt lateinische und griechische Gesetzestexte. An ihnen lasse sich der Wandel der politischen Kultur und der Herrschaftsverhältnisse gut nachvollziehen ‒ und auch wie dies durch Handlung und Sprache legitimiert wurde. „Beispielsweise halten zunehmend christliche Vorstellungen Einzug in das Rechtssystem, sie werden immer wichtiger für Urteilsbegründungen.“
Auch an der Geschichte Griechenlands faszinieren den Historiker die Vorstellungswelten, die politisches und soziales Handeln leiten. In einem laufenden Projekt untersucht er, welche Rolle die Landschaft Attika, Territorium und Heimat der Athener, als Projektionsfläche und Symbol in Identitätsdiskursen der Polis in der Klassischen Zeit (5.-4. Jh. v.Chr.) spielte – vergleichbar zum Beispiel dem „Deutschen Wald“, den „Schweizer Bergen“ oder anderen ikonischen Landschaften in Nationaldiskursen der Gegenwart. Ihm geht es darum, zu zeigen, wie diese Bildersprache in der politische Debatte eingesetzt wurde und wie sie sich in der Wahrnehmung und dem Umgang der Athener mit dem Land Attika niederschlug ‒ und damit um eine exemplarische Studie, wie Bildersprache politisch und kulturell handlungsleitende Wirkungen entfalten kann, in der Antike ebenso wie in der Gegenwart.
Professor Schmidt-Hofner hat in München und Oxford Klassische Philologie und Geschichte studiert und 2005 seine Promotion an der Universität Marburg abgeschlossen („Kaiser und Gesetz. Der Regierungsstil des spätrömischen Kaisers im Spiegel des Codex Theodosianus: das Beispiel Valentinians I.“) Danach war er zwei Jahre lang für eine Unternehmensberatung tätig, bevor ihn sein Weg wieder in die Wissenschaft führte. Am Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik der Universität Heidelberg leitete er unter anderem das Nachwuchskolleg der Heidelberger Akademie der Wissenschaften „Raumordnung, Norm und Recht in historischen Kulturen Europas und Asiens.“ Nach einer Professur an der Universität Basel folgte er im Februar 2014 dem Ruf nach Tübingen.
„Tübingen ist für meinen Fachbereich ein hochattraktives Umfeld“, sagt er. Seine Vorgänger und Kollegen hätten viel in Bewegung gesetzt. Und seine Familie fühle sich in der Universitätsstadt wohl. „Dieser Wechsel ist uns leichtgefallen.“
Antje Karbe