Humboldt Forschungspreisträger Jeff Miller von der University of Otago in Neuseeland ist zu Gast bei Professor Dr. Rolf Ulrich am Psychologischen Institut. Die Universität Tübingen und die Universität Otago sind seit 2010 beide Mitglied im Matariki Research Network, aber die Verbindung zwischen Miller und Ulrich begann bereits viele Jahre vor der Gründung des Netzwerks. Trotz der großen Entfernung arbeiten sie seit den frühen 90er-Jahren zusammen, „aber wir ergreifen jede Gelegenheit, uns zusammen hinzusetzen und uns persönlich zu sprechen“, sagt Miller.
Jeff Miller ist Experte für Kognitionspsychologie und kognitive Psychophysiologie. In diesen Bereichen wendet man mathematische, insbesondere statistische Modelle an, um die Denkprozesse besser zu verstehen, die im Gehirn beim Lesen, Lernen oder Autofahren ablaufen. „Wir messen die Gehirnaktivität mittels EEG oder anderer Geräte, um die Prozesse zu analysieren, die uns durchs alltägliche Leben lenken“ erklärt Miller. Nun aber gehen er und Ulrich einen großen Schritt weiter: sie entwickeln Modelle, mit denen man die statistischen Analysen aus vielen Studien integrieren kann, sowohl in der Psychologie als auch in anderen Disziplinen. “Sagen wir, wir haben hundert Arzneimittelprüfungen – dann wird es darunter gültige und ungültige Ergebnisse geben. Aber welche sind die gültigen? Das könnte vielleicht erst Jahre später klar werden. Durch die Analyse der Ergebnisse können wir die beste Strategie erkennen, um zu gültigen Ergebnissen zu kommen. Das wiederum zahlt sich langfristig aus und bringt auch einen größeren Nutzen für die Allgemeinheit.”
Warum arbeitet ausgerechnet ein Psychologe an mathematischen Modellen in solch unterschiedlichen Bereichen? „Die Grundsätze der statistischen Modellierungsmethoden sind recht allgemein, das heißt, die Erfahrung damit in einem Bereich ist sehr nützlich für die Entwicklung eines Modells in einem ganz anderen Bereich“ sagt Jeffrey Miller. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass auch Ökonomen oder Mediziner diesen Ansatz anwenden. Statistische Ansätze sind in allen Disziplinen vergleichbar: die Modellierungstechniken und die Prinzipien ermöglichen es, die Informationen aus vielen Studien eines Bereichs zusammenzulegen.“ Für sein Fach habe das aber eine besondere Relevanz, denn „das sind Themen, die in der Psychologie intensiv debattiert werden. Man sieht für das Fach ein besonderes Problem der Glaubwürdigkeit, da Ergebnisse aus der Psychologie oft in Frage gestellt werden“. Mathematische Modelle unterstützen Wissenschaftler dabei, Strategien zu finden, die zu gültigen Ergebnissen führen, so Miller.
Jeff Miller bleibt bis Ende Januar am Psychologischen Institut, wo er Ansätze, Fachliteratur und andere Aspekte der Psychologie mit den Doktoranden und Masterstudenten von Rolf Ulrich bespricht und mit anderen Wissenschaftlern wie der Kognitionspsychologin Professorin Dr. Barbara Kaup zusammenarbeitet. Miller und seine Frau „lieben Tübingen, vor allem das Radfahren“ und haben während ihres insgesamt sechsmonatigen Aufenthalts in Deutschland bereits längere Touren am Rhein und um den Bodensee gemacht. Beide wurden in den USA geboren, leben aber seit vielen Jahren in Neuseeland. Miller weist auf die Ähnlichkeiten zwischen Tübingen und Dunedin, dem Sitz der University of Otago: beide sind mittelgroße Städte mit wichtigen Universitäten. In Dunedin jedoch „wagen sich nur die Topfitten und die Tollkühnen“ auf dem Rad in den Stadtverkehr.
Amanda Crain