Blutplättchen, auch Thrombozyten genannt, schützen das Gefäßsystem bei Verletzungen vor übermäßigem Blutverlust. Sie werden aktiviert und lagern sich zu Blutpfropfen, sogenannten Thromben, zusammen, um das Gefäß abzudichten. Allerdings können Thrombozyten bei einer überschießenden Reaktion durch Verschluss von Gefäßen auch Ursache lebensgefährlicher Herzinfarkte und Schlaganfälle sein. Das Signal zur Zusammenlagerung erhalten die Blutplättchen über signalübertragende Gi-Proteine. Nun hat ein interdisziplinäres Forscherteam festgestellt, dass die Gi-Proteine auch an anderer Stelle Einfluss nehmen: Wenn nach einer Schlaganfall- oder Infarktbehandlung die Durchblutung der Gefäße wieder hergestellt ist, spielen Gi-Proteine auch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Entzündungen, die das betroffene Gewebe zusätzlich schädigen. Die Gi-Proteine in den Thrombozyten sind somit zentrale Schalter für sowohl die Thrombenbildung als auch für Entzündungen.
Die Bildung von Thromben in den Arterien kann zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen, die in Deutschland die zweit- und fünfthäufigste Todesursache sind. Bei 80 Prozent der Schlaganfälle ist ein thromboembolischer Verschluss der Arterien, die das Gehirn versorgen, die Ursache. Zur Behandlung werden die verschlossenen Gefäße mit Medikamenten oder in einer Operation mechanisch wieder durchgängig gemacht. Wenn die Durchblutung wiederhergestellt ist, kommt es in der Folge allerdings zu Entzündungsprozessen und Gewebeschäden im infarzierten Organ. Diese sogenannten Reperfusionsschäden tragen wesentlich zu dauerhaften Funktionsverlusten bei. Eine Therapie, die das Gehirn besser schützen könnte, gibt es derzeit nicht. Thrombozyten schädigen also nicht nur durch einen überschießenden Gefäßverschluss, sondern verstärken auch den Reperfusionsschaden, nachdem das Gewebe mit Sauerstoff unterversorgt war. Zur Entwicklung besserer therapeutischer Ansätze ist die Kenntnis der Mechanismen wichtig.
Das Forscherteam besteht aus Pharmakologen um Prof. Dr. Dr. Bernd Nürnberg von der Universität Tübingen, Biomediziner um Prof. Dr. Bernhard Nieswandt von der Universität Würzburg sowie Tübinger Anästhesisten, Würzburger Neurologen, Kooperationspartnern aus Düsseldorf und Durham (NC, USA). Sie untersuchten in einer Studie gentechnisch veränderte Mäuse, bei denen entweder im gesamten Tier oder spezifisch in den Thrombozyten Gi-Proteine abwesend waren. Tatsächlich entdeckten sie mit diesem methodischen Ansatz, dass Gi-Proteine die Thrombozyten nicht nur zur Blutstillung aktivieren, sondern auch die arterielle Thrombenbildung steuern und den Entzündungsprozess während der Reperfusion im Gehirn und Herzen verstärken. In den Tieren mit fehlendem Gi-Schalter in den Thrombozyten führte das nach einem Schlaganfall zu wesentlich geringeren Gewebeschädigungen und Funktionsverlusten im Gehirn im Vergleich zu genetisch unveränderten Mäusen. Ebenso waren nach Auslösen eines Herzinfarkts die Thrombozyten in Abwesenheit von Gi nur noch sehr viel schwächer in der Lage, Komplexe mit weißen Blutzellen, den Leukozyten, einzugehen. Nachfolgend drangen weniger Leukozyten in das Infarktgebiet ein. Dies könnte erklären, warum bei diesen Tieren nach der wiederhergestellten Durchblutung der Gewebeschaden im Herzen sehr viel geringer war.
Die Identifizierung dieser dualen Rolle von Gi-Proteinen in Blutplättchen eröffne möglicherweise neue, innovative Ansätze zur Behandlung von Herz- und Hirninfarkten, so die Forscher.
Janna Eberhardt
Devanathan V., Hagedorn I., Köhler D., Pexa K., Cherpokova D., Kraft P., Singh M., Rosenberger P., Stoll G., Birnbaumer L., Piekorz R., Beer-Hammer S., Nieswandt B., Nürnberg B. (2015): Platelet Gi2 is an essential mediator of thrombo-inflammatory organ damage in mice. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 112, 6491-6496