Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2025: Uni intern

Forschungskooperationen über Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg im Fokus

Interview mit Dekanin Taiga Brahm und Dekan Dominik Papies, der neuen Doppelspitze der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät

Sie sind jetzt 100 Tage im Amt (Interview am 10.12.24). Wie klappt die Arbeit als Doppelspitze? 

Brahm: Wir haben eine Art Geschäftsverteilungsplan und die Zusammenarbeit läuft hervorragend. Dank elektronischer Kooperationstools können wir uns regelmäßig abstimmen, wenn nötig sehr kurzfristig. Das ist aus meiner Sicht auch die Voraussetzung, dass so eine Doppelspitze funktioniert. 

Unser Anspruch ist es, nach außen immer mit einer Stimme zu sprechen. Für den Fall, dass wir in einer Sache einen Dissens haben, würden wir immer versuchen, diesen intern beizulegen, bevor wir unsere Meinung kundtun. 

Papies: Die Möglichkeit, sich gegenseitig abzusprechen und rückzukoppeln, eine zweite Meinung einzuholen und zu überlegen, wie wir gemeinsam vorgehen – das ist das Beste an der Doppelspitze und zugleich etwas, was ich nicht mehr missen möchte, ein riesiger Asset. Diese permanente Abstimmung empfinden wir nicht als Pflicht, vielmehr hat sie für unsere Arbeit als Dekane sogar eine entlastende Funktion.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen neben der Tätigkeit als Dekanin bzw. Dekan noch für Forschung und Lehre? 

Brahm: Auf dem Papier sind wir „nebenamtliche Dekane in Hauptfunktion“. Für die ersten 100 Tage würde ich sagen, dass die Betonung auf Hauptfunktion liegt. Aber der Anspruch ist schon – und damit sind wir auch angetreten –, dass wir auch weiterhin Forschung und Lehre betreiben. 

Papies: Wir bemühen uns, bestimmte Tage als „Forschungstage“ zu blockieren, aber in der Praxis funktioniert das nicht immer, wenn beispielsweise dringende Termine im Dekanat anstehen.

Als Dekan arbeitet man häufig in einer Art Managementmodus: Man liest und beantwortet Dutzende Emails, trifft ganz viele Entscheidungen – alleine oder im Gremium –, und das alles in einer sehr hohen Taktung. Dann wechselt man in den Forschungsmodus, sitzt drei Stunden vor einem Text oder vor einer Formel – und es passiert nichts. Diese Langsamkeit muss man aushalten können. Dieses Umschalten von einem Modus in den anderen und das Fokussieren auf eine einzige wissenschaftliche Fragestellung ist eine große Herausforderung.

Brahm: In der Lehre machen wir beide weiterhin mindestens einen Kurs pro Semester. Es ist sehr wichtig, auch als Dekan bzw. Dekanin weiterhin den Kontakt zu den Studierenden zu behalten. Wir haben beide für unsere Amtszeit eine Lehrstuhlvertretung, das ist wichtig im Hinblick auf laufende Forschungsprojekte. Gleichzeitig gibt es Aufgaben wie die Doktorandenbetreuung, die ich auch künftig nicht abgeben möchte.

Sie sind als Doppelspitze beide Mitglieder desselben Fachbereichs, ist das ein Problem?
Papies: Das ist bei den anderen Fächern kein wirkliches Thema – zweifellos ein großes Verdienst unserer Vorgänger Josef Schmid, Ansgar Thiel und Frank Stähler. Die einzelnen Teile der Fakultät – der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft und der Fachbereich Sozialwissenschaften – nehmen sich nicht als konkurrierende Einheiten, sondern als zwei Einheiten einer großen Fakultät wahr. Bei der Zusammensetzung der verschiedenen Gremien achten wir zugleich darauf, dass die Fakultät in ihrer gesamten Breite abgebildet wird. 

Brahm: Wir sind sehr gut vernetzt innerhalb der Fakultät, in beiden Fachbereichen. Darüber hinaus haben wir in den ersten Monaten die einzelnen Institute des Fachbereichs Sozialwissenschaften besucht und versuchen, noch tiefer ins Gespräch kommen.

Welche Themen sind Ihnen für Ihre Amtszeit besonders wichtig? 

Brahm: Da ist zum einen das Thema Forschungskooperationen: innerfakultär und interfakultär – also über Instituts-, Fachbereichs- oder Fakultätsgrenzen hinweg. Interdisziplinäre Forschungskooperationen bis hin zu gemeinsamen DFG-Anträgen. Zum anderen steht die Frage der Digitalisierung von Prozessen und administrativen Abläufen für uns im Blickpunkt.

Sprechen wir über Digitalisierung… 

Papies: Es gibt natürlich Projekte, bei denen wir sehr eng mit der Zentrale – zum Beispiel der Stabsstelle Digitalisierung – zusammenarbeiten und auch zusammenarbeiten müssen. Ich denke da etwa an die Themen Reisekosten, digitale Akte oder auch das ALMA-Portal. 

Daneben gibt es aber Themen, die eher in der Fakultät liegen und die wir angehen wollen, weil sie dringlich sind.

Brahm: Ein Beispiel ist die Anerkennung von Studienleistungen vom Studierenden, die im Auslandssemester waren. Hier benötigen wir bald eine digitale Lösung, auf der zentralen Ebene steht das aber noch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. 

Unsere Digitalisierungsbemühungen innerhalb der Fakultät stehen nicht in Konkurrenz zu den Projekten der Zentralen Verwaltung, sie sind vielmehr komplementär dazu. Wir müssen bestimmte Prozesse effizienter gestalten, weil unsere Fakultät stark gewachsen ist.

Wie wichtig ist das Thema Internationalisierung für die Fakultät?

Brahm: Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft haben wir seit geraumer Zeit internationale Studiengänge, und es kommen viele internationale Studierende zu uns nach Tübingen. Aktuell arbeiten wir im Rahmen der Universitätsallianz CIVIS an einem gemeinsamen Bachelor-Degree. Er soll es ermöglichen, dass Studierende mindestens an zwei oder sogar drei CIVIS-Standorten studieren können. Auch im Fachbereich Sozialwissenschaften gibt es internationale Studienangebote, beispielsweise den gemeinsamen Master Public Policy and Social Change der Politikwissenschaft und der Soziologie. 

Wir haben darüber hinaus eine Referentin für Internationales, und wir bieten eine spezielle Studienberatung sowie verschiedene Willkommensveranstaltungen für internationale Studierenden an. Für diese Zielgruppe attraktive Studienmöglichkeiten anzubieten, stärkt die Idee der Internationalisierung gerade auch hier vor Ort in Tübingen.

Papies: Gleichzeitig ist es für unsere Studierenden wichtig, dass wir gute Partneruniversitäten im Ausland haben. Denn sehr viele unserer Studierenden gehen für ein oder zwei Semester ins Ausland. 

Brahm: Was die Forschung angeht, so haben wir im vergangenen Jahr mehrere internationale Gastprofessorinnen und -professoren an die Fakultät geholt, unter anderem von der südafrikanischen University of the Witwatersrand (WITS), die assoziierter Partner der CIVIS-Universitätsallianz ist. Aber auch im Fachbereich Sozialwissenschaften haben wir Gastprofessuren eingerichtet, etwa am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, in der Erziehungswissenschaft oder auch in der Sportwissenschaft.

Seit kurzem gibt es das interdisziplinäre Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex)…

Brahm: Das Institut ist nicht nur interdisziplinär, sondern auch interfakultär ausgerichtet. Die Antragstellung wurde zwar bei uns in der Fakultät initiiert, aber in Zusammenarbeit mit der Philosophischen Fakultät, von der das Institut für Medienwissenschaft beteiligt ist. Auch der Beirat besteht aus Mitgliedern beider Fakultäten.

Drei Professuren sind bereits besetzt, das Besetzungsverfahren für eine vierte Professur für Sozialwissenschaftliche Antisemitismusforschung läuft noch. Zunächst wird das Institut viel Monitoring bezüglich Rechtsextremismus betreiben, daneben eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen in den Bereichen „Medien“, „Politische Akteurinnen und Akteure“ sowie „Erziehungswissenschaft und Bildung“. Diese Bereiche sind dabei nicht als einzelne Säulen zu betrachten, sondern sollen sich gegenseitig befruchten.

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ist im Rahmen der Exzellenzstrategie auch an einer Clusterinitiative der Universität beteiligt...

Papies: Tatsächlich sind wir an drei Clusterinitiativen beteiligt. Ich selbst bin seit 2019/2020 Mitglied des Exzellenzclusters Machine Learning, mittlerweile sind aus unserer Fakultät sechs Kolleginnen und Kollegen daran beteiligt. Daneben sind wir aber an der Clusterinitiative Critical Proximities mit mindestens drei Fächern beteiligt, gemeinsam mit der Philosophischen Fakultät. Außerdem ist die Fakultät Teil des Clusterantrags Fe:male Brain

Diese Anträge sind auch gute Beispiele für das, worüber wir eingangs bereits gesprochen haben: die Stärkung von Forschungsaktivitäten und -kooperationen über Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg. Denn sie bilden häufig die Grundlage für künftige Clusterinitiativen.

Brahm: Es gibt ein großes Bedürfnis innerhalb der Fakultät, die eigene Forschung durch stärkere Kommunikation und Vernetzung voranzutreiben, neue Forschungspotenziale zu identifizieren und zu generieren. Es kommen permanent neue Fächer und Schwerpunkte hinzu, aber manchmal wissen unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gar nicht voneinander und dass sie an ähnlichen Themen arbeiten – obwohl sie Mitglieder derselben Fakultät sind.

Gibt es noch ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt? 

Brahm: Nach außen sind wir natürlich ein bisschen das Gesicht der Fakultät, aber mit uns zusammen im Team arbeiten viele sehr kompetente Kolleginnen und Kollegen. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir hier im Dekanat auf solide gewachsene Strukturen aufbauen können. Denn man darf nicht unterschätzen, wie wichtig die Dekanatsverwaltung und das ganze Team sind. 

Papies: Man kann sich eine Fakultät als ein Dreieck vorstellen, an deren Spitze die Dekane stehen. Diese Spitze kann man im Zweifel relativ leicht austauschen. Aber wenn irgendetwas Großes aus der Mitte oder aus dem Fundament herausbricht, hat man ein Problem und das Dreieck, also die Fakultät, funktioniert nicht mehr richtig.

Brahm: Unser Anliegen ist es, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dekanat ein gutes Arbeitsumfeld haben, sich entsprechend wohlfühlen und gerne zur Arbeit gehen, trotz der zum Teil extremen Arbeitsbelastung.

Wenn Sie nicht für die Fakultät unterwegs sind bzw. im Bereich Forschung und Lehre aktiv sind: Wie können Sie mal abschalten?

Papies: Ich „werde abgeschaltet“, wenn ich nach Hause komme – durch Kinder, Küche, Kochen. Ansonsten schalte ich ab beim Laufen, gerne im Wald und gerne längere Strecken.

Brahm: Auch ich laufe sehr gerne. Darüber hinaus sind für mich Familie und Freunde definitiv eine wichtige Quelle für den Ausgleich.

Das Interview führte Maximilian von Platen

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