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02.08.2024
Fundstätte Sibhudu zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt
Einmaliges Archiv des frühen Homo sapiens - Universität Tübingen erforscht seit 14 Jahren unter einem Felsdach in Südafrika die kulturelle Evolution des Menschen
Die UNESCO hat die archäologische Fundstelle Sibhudu an der Ostküste Südafrikas zum Weltkulturerbe ernannt. Die Fundstelle ist ein Schlüsselort für die Erforschung der kulturellen Evolution des Menschen. Seit 14 Jahren leitet die Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment die Ausgrabungen. Die Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe am vergangenen Freitag erfolgte mit zwei weiteren Fundstellen in Südafrika.
„Die Entscheidung lenkt den Blick der Öffentlichkeit auf die Ursprünge der menschlichen Kultur und der Menschwerdung. Es gibt noch viel zu wenige Welterbestätte aus dieser Zeit“, sagte Grabungsleiter Nicholas Conard, Professor an der Universität Tübingen und UNESCO-Beauftragter der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „Ich freue mich, dass die UNESCO vermehrt steinzeitliche Orte und Orte der menschlichen Evolution berücksichtigt.“
Sibhudu ist wie ein Archiv für die frühe kulturelle Entwicklung unserer Vorfahren, bevor Homo sapiens Eurasien erfolgreich besiedelte und den Neandertaler und andere archaische Menschenformen verdrängte. Der Felsüberhang überdacht archäologische Schichten aus einem Zeitraum von etwa 100.000 bis 35.000 Jahren vor heute und diente Menschen in dieser Zeit als Wohnstelle. Die Archäologinnen und Archäologen fanden in Sibhudu den ältesten Nachweis für die Konstruktion von Pflanzenmatten als Schlaf- und Arbeitsplätze, Belege für die Nutzung von Knochenwerkzeugen und Beweise für frühes symbolisches Verhalten in Form von Muschelperlen. Zudem wurde an der Fundstelle eine der ältesten Pfeilspitzen aus Knochen gefunden und damit einer der frühesten Nachweise für die Erfindung dieser Technologie. All diese Befunde erlauben ungewöhnlich tiefe Einblicke in das Leben unserer Vorfahren: Sie waren zu abstrakten und komplexen Gedankengängen fähig, stellten vielfältige Werkzeuge aus Stein und Knochen her, beherrschten die Feuernutzung, jagten Tiere und wussten auch pflanzliche Ressourcen für sich zu nutzen.
Sibhudu liegt an der Ostküste Südafrikas in der Provinz KwaZulu-Natal, rund 40 Kilometer nördlich von Durban und 15 Kilometer landeinwärts vom Indischen Ozean entfernt. Der Felsüberhang befindet sich auf einer Sandsteinklippe oberhalb des Uthongathi-Flusses und umspannt eine Fläche von etwa 55 auf 12 Metern.
Die systematische Erforschung der Fundstelle begann im Jahr 1998 mit Ausgrabungen unter der Leitung von Lyn Wadley von der University of Witwatersrand in Johannesburg. 2011 übergab die südafrikanische Forscherin die Fundstelle an Prof. Nicholas Conard vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. Seitdem finden dort jährliche Grabungen seitens der Universität statt. Dabei werden modernste Ausgrabungsmethoden verwendet. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen auch internationalen Expertinnen und Experten – etwa der Archäozoologie, der Archäobotanik oder der Geoarchäologie – erlaubt zudem ein vielfältiges Bild auf die archäologischen Hinterlassenschaften am Fundort.
Ausgegraben wird stets mit Bedacht und äußerster Sorgfalt. Durch das Abheben von ein bis drei Zentimeter dicken Erdschichten, die der Kontur und dem Gefälle der Ablagerungen folgen, arbeiten sich die Archäologinnen und Archäologen langsam nach unten. Die dabei gefundenen Artefakte werden vermessen, sodass ihre genaue Lage später anhand der 3D-Koordinaten nachvollzogen werden kann. Jeder Eimer voll Sediment wird zudem gesiebt und nach Kleinstfundstücken durchsucht.
Die Fundstelle zeichnet sich durch viele dünne übereinander liegende archäologische Schichten aus. Durch diese hohe stratigraphische und zeitliche Auflösung können Veränderungen in der Lebensweise der Menschen kleinschrittig nachvollzogen werden. Besonders ist auch die außerordentlich gute Erhaltung organischer Materialien in Sibhudu. Das Vorhandensein verschiedenster Arten von Artefakten ermöglicht eine detailgenaue Erforschung der Fundstelle und ihrer Bewohner über tausende von Jahren hinweg.
Bei der Bewerbung um den UNESCO-Welterbestatus handelte sich um eine Sammelbewerbung zusammen mit zwei anderen südafrikanischen Fundstellen (Diepkloof Rock Shelter & Pinnacle Point Site Complex) unter dem Titel „Das Auftreten des modernen Menschen: Die pleistozänen Siedlungsplätze Südafrikas“. Die Aufnahme der drei steinzeitlichen Fundstellen auf die Welterbeliste wurde am vergangenen Freitag auf der 46. Sitzung des Welterbekomitees in Neu-Delhi (Indien) beschlossen. Die UNESCO-Welterbeliste beinhaltet aktuell 1.223 Einträge in 168 Ländern. In Südafrika liegen mit der Aufnahme der drei steinzeitlichen Fundstellen nun 12 davon.
Kontakt:
Prof. Nicholas Conard, PhD
Universität Tübingen
Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment
Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie
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