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31.10.2023
Musik auf YouTube nützt unbekannten Künstlern – aber schmälert Einnahmen der Großen
Strenge Regulierung von Musikvideos könnte zu Marktkonzentration führen
Musik-Hits, die kostenlos von Nutzern auf YouTube zugänglich gemacht werden, werden auf Plattformen wie Spotify oder Apple Music weniger nachgefragt. Der breiten Masse weniger bekannter Künstlerinnen und Künstler hingegen kann ein Hochladen auf YouTube durch Nutzer zu mehr Aufmerksamkeit und damit Einnahmen über lukrativere Plattformen verhelfen. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam der Wirtschaftsuniversität Wien, der Universitäten Tübingen und Hamburg und der LMU München. Ihre Studie wurde am Freitag im Fachjournal Marketing Science veröffentlicht.
Auch Songs, die zu unbekannteren Genres gehören oder bereits vor längerer Zeit veröffentlicht wurden, werden bei Streaming-Diensten häufiger abgerufen, wenn sie von Nutzern zuvor auf YouTube kostenfrei hochgeladen wurden. Da YouTube als weltweit größter Musik-Streamingdienst eine Schlüsselposition einnimmt, werfen diese Ergebnisse Fragen für die Regulierung des Marktes auf – diese wurde sehr kontrovers diskutiert, als die EU-Kommission die Richtlinie (Artikel 17) über Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt überarbeitete.
„Es ist wichtig, dass Politikerinnen und Politiker die potenziellen Auswirkungen einer strengeren Regulierung von Plattformen für nutzergenerierte Inhalte sorgfältig abwägen“, sagte Nils Wlömert, Professor am WU Institut für Retailing & Data Science und Erstautor der Studie. „Eine solche Regulierung könnte unbeabsichtigt die Markkonzentration erhöhen, indem sie unbekannte Künstlerinnen und Künstler in ihrer Reichweite einschränkt.“
Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch auch, dass eine geringere Nachfrage nach Hit-Releases auf Musik-Streamingdiensten wie Spotify erhebliche Auswirkungen auf die Umsätze der Musikindustrie hat. Denn obwohl sie nur einen kleinen Teil der Inhalte ausmachen, sind diese Hits für einen großen Anteil des Umsatzes verantwortlich. „Es ist daher wichtig, eine ausgewogene Regulierung zu finden, die sowohl die Urheberrechte als auch die Interessen von Künstlerinnen und Fans berücksichtigt“, sagte Professor Dominik Papies vom Lehrstuhl für Marketing der Universität Tübingen.
Privatpersonen ist auf Plattformen für nutzergenerierte Inhalte wie YouTube oder TikTok das Hochladen und Teilen von Musik-Videos zu sehr geringen Kosten möglich. Da auch die Plattformen nicht für diese Inhalte haften müssen, sprechen Fachleute vom Prinzip der „Safe Habor“ - sicheren Häfen. Urheberinnen und Urheber erhalten zwar von den Plattformen eine geringe finanzielle Kompensation. Unter anderem aber wegen der geringen Vergütung gibt es immer wieder Diskussionen über eine strengere Regulierung dieser Safe Harbors, wie derzeit durch eine Gesetzesinitiative im US-Kongress.
Die Studie konnte Dank eines einmaligen Umstandes erstellt werden, der einem kontrollierten Experiment gleicht – eine Seltenheit in den Sozialwissenschaften: Jahrelang hatte YouTube in Deutschland die Ausspielung von Videos, die durch Nutzer hochgeladen wurden, unterbunden. Der Grund war ein Rechtsstreit mit deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA. Doch im Oktober 2016 wurde eine Einigung erzielt – über Nacht waren Hunderttausende Titel, die von Nutzern hochgeladen waren, auf YouTube verfügbar. Die Forscher konnten nun einen Datensatz zu 600.000 Songs auswerten: mehr als 350.000 Titel waren im Anschluss an die Einigung mit der GEMA tatsächlich auf YouTube im Untersuchungszeitraum von einem halben Jahr verfügbar - der Rest aber noch nicht. So konnten die Forscher feststellen, ob die plötzliche Präsenz von einem Teil der Songs auf YouTube die Einnahmen ihrer Urheberinnen und Urheber an anderer Stelle veränderte.
Originalpublikation:
Wlömert N, Papies D, Clement M, Spann M 2023. The Interplay of User-Generated Content, Content Industry Revenues, and Platform Regulation: Quasi-Experimental Evidence from YouTube. Marketing Science, https://doi.org/10.1287/mksc.2022.0080
Kontakt:
Prof. Dr. Dominik Papies
Universität Tübingen
Tel. +49 7071/29-78202
dominik.papiesspam prevention@uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Nils Wlömert
Institute for Retailing and Data Science
Vienna University of Economics and Business
nils.wloemertspam prevention@wu.ac.at
Pressekontakt:
Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung
Tilman Wörtz
Pressereferent
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