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01.08.2019

Weibliche und männliche Sexualstraftäter unterscheiden sich

Studie der Universität Tübingen untersucht erstmals Sexualkriminalität von Frauen

Weibliche und männliche Sexualstraftäter unterscheiden sich in ihrem Tatvorgehen und der Wahl ihrer Opfer. So stellte eine Studie über Sexualstraftäterinnen beispielsweise fest, dass diese häufig gemeinsam mit Männern Taten begehen, ohne dass es zu Körperkontakt zwischen Opfer und Täterin kommt. Die Juristin Dr. Ulrike Hunger hat in einer am Institut für Kriminologie (IFK) der Universität Tübingen entstandenen Untersuchung Strafakten von 104 Täterinnen analysiert, die aufgrund eines sexuellen Missbrauchs- oder Gewaltdeliktes verurteilt wurden. Sie verglich diese mit einer männlichen Gruppe von 98 sexuellen Missbrauchs- und Gewalttätern. Es ist die erste Studie, die sich in Deutschland mit der Gruppe der verurteilten Sexualstraftäterinnen auseinandersetzt. Die Arbeit ist im Duncker & Humblot Verlag erschienen. Die Erkenntnisse können helfen, individuelle Therapiekonzepte zu entwickeln.

Bei sexuellen Missbrauchsdelikten werden Machtverhältnisse ausgenutzt, dazu zählt zum Beispiel der sexuelle Missbrauch von Kindern. Dagegen wird bei sexuellen Gewaltdelikten Gewalt angewendet oder angedroht, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. Darunter fallen die sexuelle Nötigung sowie die Vergewaltigung. 

Ulrike Hunger fand in ihrer kriminologischen Studie „Verurteilte Sexualstraftäterinnen – eine Analyse sexueller Missbrauchs- und Gewaltdelikte“ deutliche Unterschiede, was die Sexualkriminalität von Männern und Frauen betrifft: So waren bei mehr als der Hälfte der Täterinnen, die wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurden, an den Straftaten Mittäter beteiligt – 95 Prozent davon waren Männer. Als Motive nannten die Frauen die sexuelle Befriedigung der Mittäter, ihre Liebesbeziehung zu diesen sowie das eigene Bedürfnis nach Nähe. Typischerweise kam es bei vielen Taten nicht zu Körperkontakt zwischen den Täterinnen und ihren Opfern. Charakteristisch für die Frauen war zudem, dass sie gleichermaßen männliche und weibliche Opfer missbrauchten und ein großer Anteil der Geschädigten mit ihnen verwandt waren. Die Männer der Vergleichsgruppe hingegen verübten die Missbrauchstaten fast alle alleine und hauptsächlich zur eigenen sexuellen Befriedigung. Als Opfer wählten sie größtenteils weibliche Betroffen aus, wobei sie kaum verwandte Opfer missbrauchten, fasst die Studienautorin zusammen. 

Auch in der Gruppe der sexuellen Gewalttäterinnen waren typischerweise bei fast allen Taten weitere Personen beteiligt. Die Täterinnen hatten selbst oftmals keinen Körperkontakt zu ihrem Opfer, sondern forderten zu sexuellen Handlungen auf oder sahen dabei zu. Als Hauptbeweggründe nannten sie die Angst, vom Mittäter verlassen oder körperlich misshandelt zu werden. Über drei Viertel der Opfer waren weiblich. Sämtliche Opfer waren mit den Frauen bekannt oder verwandt ‒ bei sexuellen Gewalttaten von Männern hingegen kannten sich Täter und Opfer in etwa einem Drittel der Fälle vor der Tat nicht. Die Männer präferierten fast ausschließlich weibliche Opfer.

Die Juristin verglich unter anderem die demographischen Merkmale der Täterinnen, ihren familiären Hintergrund, Geschlecht und Alter der Opfer, die an der Tat Mitwirkenden, die Tathandlung und die Urteile. Danach waren in der Gruppe der sexuellen Missbrauchsdelikte die Täterinnen durchschnittlich 33 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Opfer lag bei nur zwölf Jahren. Die Männer hingegen waren durchschnittlich 37 Jahre alt. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern waren hohe Bildungsabschlüsse selten, etwa dreiviertel beider Tätergruppen lebten in Partnerschaften und hatten eigene Kinder. 

In der Gruppe der sexuellen Gewaltdelikte waren die Täterinnen mit durchschnittlich 23 Jahren deutlich jünger, viele waren zur Tatzeit noch Jugendliche. Die Opfer waren durchschnittlich 22 Jahre alt. In der männlichen Vergleichsgruppe hingegen waren die Täter älter, ihr Durchschnittsalter lag bei 39 Jahren. Die Geschädigten waren durchschnittlich 25 Jahre alt.

Den empirischen Hintergrund bildete eine Aktenanalyse zu 104 Täterinnen, die von 2003 bis 2012 in Bayern und Baden-Württemberg wegen eines sexuellen Missbrauchs- oder Gewaltdeliktes verurteilt wurden. Die männliche Vergleichsgruppe setzte sich aus 98 sexuellen Missbrauchs- und Gewalttätern aus den gleichen Bundesländern und demselben Zeitraum zusammen.

Frauen, die Sexualstraftaten begehen, sind zwar in Statistiken immer noch ein seltenes Phänomen, geraten aber immer mehr in den Blick der Öffentlichkeit. Über den „Staufener Missbrauchsfall“ wurde viel berichtet: Die Täterin wurde zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. „In dieser Studie liegt zum ersten Mal der Fokus auf der kleinen Gruppe der Sexualstraftäterinnen, die sich durch ganz eigene Täter-, Opfer- und Tatmerkmale auszeichnet“, sagt Hunger. „Die Erkenntnisse über die Täterinnen können für die Prävention hilfreich sein, indem auf dieses Thema aufmerksam gemacht wird. Außerdem lassen sich mit Hilfe der Ergebnisse individuelle Therapiekonzepte entwerfen“.

Publikation:

Ulrike Hunger: Verurteilte Sexualstraftäterinnen – eine empirische Analyse sexueller Missbrauchs- und Gewaltdelikte, Duncker & Humblot Berlin, 2019.

Kontakt: 

Dr. Ulrike Hunger
Universität Tübingen
Juristische Fakultät
+49 7071 29-72931 (Sekretariat)
ulrike.hungerspam prevention@gmx.de

Pressekontakt:

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Hochschulkommunikation
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