Pressemitteilungen
03.11.2025
38. Tübinger Poetik-Dozentur
Jenny Erpenbeck und Peter Wawerzinek an der Universität Tübingen – Auftakt mit Lesung in der Kunsthalle Würth
Die Universität Tübingen lädt zur 38. Tübinger Poetik-Dozentur ein: Jenny Erpenbeck und Peter Wawerzinek sprechen vom 17. bis zum 21. November 2025 in Tübingen über ihre literarischen und essayistischen Texte. Zu Gast sind zudem Ute und Werner Mahler, die in ihren Fotografien vor allem das Alltagsleben in der DDR festgehalten haben. Die Vorlesungen und Gespräche der Poetik-Dozentur finden jeweils um 19 Uhr in der Alten Aula (Münzgasse 30, Tübingen) statt und können auch über einen Livestream verfolgt werden.
Jenny Erpenbeck liest zum Auftakt der Dozentur-Woche am Sonntag, den 16. November, um 11 Uhr, in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall. Begleitend zu den Veranstaltungen zeigen das Stadtmuseum Tübingen und das Hessekabinett eine Ausstellung unter dem Titel „Über Städte und Dörfer. Fotografien von Ute Mahler & Werner Mahler“. Am Donnerstag, den 20. November, findet um 17 Uhr die Vernissage in Anwesenheit von Ute und Werner Mahler statt.
Die Tübinger Poetik-Dozentur ist ein Projekt der Stiftung Würth und wird von der Adolf Würth GmbH & Co. KG gefördert. Einmal jährlich werden Autorinnen oder Autoren eingeladen, öffentliche Vorlesungen zu halten sowie Workshops für Studierende anzubieten. Den traditionellen Auftakt bildet eine Lesung in der Kunsthalle Würth.
„Die Tübinger Poetik-Dozentur schafft einen Raum, in dem Literatur, Fotografie und Geschichte aufeinandertreffen und Menschen zusammenkommen“, sagt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen. „Solche Begegnungen zu ermöglichen, gehört zum gesellschaftlichen Auftrag unserer Universität – die Poetik-Dozentur ist dafür auch in diesem Jahr ein leuchtendes Beispiel.“
Johannes Schmalzl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Würth, freut sich auf die Begegnungen und Einblicke im Rahmen der Poetik-Dozentur 2025: „Ich bin überzeugt, dass das großartige literarische Werk von Jenny Erpenbeck dazu beiträgt, nicht nur vergangenheitsbezogen das Leben in der DDR besser zu verstehen. Wer bei ihr genau hinhört, wird auch die richtigen Schlüsse zur Bewältigung der großen Herausforderungen der Gegenwart ziehen können.“
Die Termine im Überblick
Lesung von Jenny Erpenbeck am Sonntag, 16. November, um 11 Uhr in der Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall (die Lesung ist ausgebucht).
Veranstaltungen an der Universität Tübingen
Jeweils 19 Uhr c. t., Alte Aula. Der Eintritt ist frei. Die Veranstaltungen können auch über einen
Livestream verfolgt werden.
- Montag, 17. November: Vorlesung von Jenny Erpenbeck: „Verworfene Anfänge“
- Dienstag, 18. November: Vortrag von Ute und Werner Mahler: „Ein Dorf“
- Mittwoch, 19. November: Jenny Erpenbeck im Gespräch mit Reinhard Müller: „Reden über Schweigen“
- Donnerstag, 20 November: Vorlesung von Peter Wawerzinek: „Vom Gebrauch der Worte im Wechsel der Zeiten“
Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Poetik-Dozentur-Woche
- Dienstag, 18. November: Workshop zum Werk von Jenny Erpenbeck am Deutschen Seminar der Universität Tübingen, organisiert von Evi Zemanek und Kay Wolfinger (Anmeldung unter admin.zemanekspam prevention@ds.uni-tuebingen.de
- Donnerstag, 20. November: Vernissage der Ausstellung „Über Städte und Dörfer. Fotografien von Ute Mahler & Werner Mahler“ im Stadtmuseum und Hessekabinett Tübingen, 17 Uhr, Stadtmuseum Tübingen
- Freitag, 21. November: Schreibwerkstatt für Studierende mit Peter Wawerzinek in Kooperation mit dem Studio Literatur und Theater der Universität Tübingen
Weitere Informationen zu allen Veranstaltungen unter poetik-dozentur.de
Verantwortlich:
Prof. Dr. Dorothee Kimmich
Universität Tübingen, Deutsches Seminar / Poetik-Dozentur
Telefon +49-(0)7071-29-75323
dorothee.kimmichspam prevention@uni-tuebingen.de
Kontakt/Presse:
Dr. Sara Bangert
Universität Tübingen, Deutsches Seminar / Poetik-Dozentur
Telefon +49 (0)7071 29-74261
sara.bangertspam prevention@uni-tuebingen.de
Pressekontakt:
Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Christfried Dornis
Leitung
Michael Pfeiffer
Pressereferent
Telefon +49 7071 29-76782
michael.pfeifferspam prevention@uni-tuebingen.de
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Die Gäste der Poetik-Dozentur 2025
Jenny Erpenbeck
Jenny Erpenbeck wurde 1967 in Ost-Berlin geboren. Nach einer Ausbildung zur Buchbinderin studierte sie Theaterwissenschaft und begann anschließend ihre Laufbahn als Regieassistentin und Abendspielleiterin, die sie unter anderem an das Opernhaus Graz und die Staatsoper Berlin führte. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit inszeniert sie seit 1997 eigene Theaterarbeiten, darunter im Jahr 2000 die Uraufführung ihres Stücks Katzen haben sieben Leben sowie 2001 den Doppelabend Erwartung (Schönberg) / Herzog Blaubarts Burg (Bartók). Erpenbeck lebt und arbeitet in Berlin.
Ihr literarisches Debüt gab Jenny Erpenbeck 1999 mit dem Roman Geschichte vom alten Kind, in dem eine Kindheit in der DDR geschildert wird. Auch in Heimsuchung (2008), das vom Guardian in die Liste der „100 besten Bücher des 21. Jahrhunderts“ aufgenommen wurde, widmet sie sich zentralen Themen der deutschen Geschichte – etwa Exil, Entfremdung und kollektiven Traumata. Der Roman Aller Tage Abend (2012) geht der Frage nach, wie das Leben durch Zufall und Schicksal geprägt wird. In Gehen, ging, gegangen (2015) erzählt Erpenbeck von Flucht und Migration: Im Zent-rum steht die langsame Annäherung zwischen einem emeritierten Professor und einer Gruppe junger Geflüchteter aus Afrika. Mit Kairos (2021) kehrt sie thematisch in die DDR der Wendezeit zurück: Der Roman erzählt von einer Liebesbeziehung zwischen einer 19-Jährigen und einem verheirateten Mann in seinen Fünfzigern vor dem Hintergrund des Endes der DDR. Andreas Platthaus be-zeichnete Erpenbeck in der FAZ als „eine der größten lebenden Erzählerinnen, die (nicht nur) wir haben“.
Für Kairos wurde Jenny Erpenbeck 2024 mit dem International Booker Prize ausgezeichnet. Darüber hinaus erhielt sie zahlreiche weitere Preise, darunter unter anderem den Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (2002), den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis (2008), den Europäischen Literaturpreis (2015), den Thomas-Mann-Preis (2016), den Uwe-Johnson-Preis (2022), sowie den Internationalen Stefan-Heym-Preis (2023). Ihre Werke sind in über 30 Sprachen übersetzt worden.
Publikationen (unter anderem):
Geschichte vom alten Kind. Eichborn, Frankfurt a. M. 1999
Heimsuchung. Eichborn, Frankfurt a. M. 2008
Dinge, die verschwinden. Galiani, Berlin 2009
Gehen, ging, gegangen. Knaus, München 2015
Kein Roman. Texte und Reden 1992 bis 2018. Penguin, München 2018
Kairos. Penguin, München 2021
Peter Wawerzinek
Peter Wawerzinek wurde 1954 in Rostock unter dem Namen Peter Runkel geboren. 1978 übersiedelte er nach Ostberlin und übte verschiedene Berufe aus, unter anderem war er Tischler, in den 80er Jahren Performance-Künstler und Stegreifpoet. Seit 1988 ist er als freier Schriftsteller, Regisseur und Hörspielautor tätig. Heute lebt er in Magdeburg.
Wawerzineks Texte erzählen von Zeiten und Erfahrungen in verschiedenen Kinderheimen und Pflegefamilien in der DDR. Sein erster Roman Nix erschien 1990, gefolgt von zahlreichen Prosa-Werken und Essay-Sammlungen. Mit der autofiktionalen Verarbeitung seiner Erfahrungen in Rabenliebe gelang ihm 2010 der literarische Durchbruch. Der Roman kombiniert autobiografische Versatzstücke mit fantastisch anmutenden Elementen, echte und fingierte Zeitungsmeldungen mit Kinderliedern und Zitaten aus Märchen. Die Jury der Deutschen Schillerstiftung betonte in ihrer Laudatio „eine virtuose Formsprache, die das Werk in einer eigenwilligen Schwingung voranträgt“. Von der eigenen Lebensgeschichte und dem Wawerzinek eigenen Schreibstil sind auch die nachfolgenden Romane geprägt. In Schluckspecht (2014) verarbeitet er seine Alkoholkrankheit und Therapie; Liebestölpel (2019) beschäftigt sich mit der Frage nach der Liebe und wie man sie leben kann – oder nicht. „Mit kunstvoll durchrhythmisiertem Ton überführt Wawerzinek Erinnerungen in eigenwillige Literatur. (...) Ein hochliterarisches Pfeifen im unheimlichen Wald der Erinnerungen ist das, wo die Dämonen der Kindheit auch noch in der Gegenwart des Erwachsenen herumspuken“, so Andrej Klahn im Deutschlandfunk.
Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Deutschen Kritikerpreis für Literatur (1991), dem Ingeborg-Bachmann-Preis (2010) und der Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung (2014). Im September 2025 erschien sein Roman Rom sehen und nicht sterben, der von einer Krebsdiagnose erzählt. Der Roman steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis und wurde von der Kritik als ein „kraftvolles, lebensbejahendes Buch" (Liane von Billerbeck, Deutschlandfunk Kultur) sehr positiv aufgenommen.
Publikationen (unter anderem):
Das Kind, das ich war. Transit Buchverlag, Berlin 1990
Sperrzone reines Deutschland. Transit Buchverlag 2001
Rabenliebe. Galiani, Berlin 2010
Parodien. Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur. Galiani, Berlin 2011
Lievalleen. Ein Dokumentarfilm von Peter Wawerzinek & Steffen Sebastian, D 2019 / 91 Min
Rom sehen und nicht sterben, Penguin, München 2025
Ute und Werner Mahler
Ute Mahler studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und arbeitet als freie Fotografin. Mit ihrem Mann Werner Mahler und fünf weiteren Fotografinnen und Fotografen gründete sie 1990 OSTKREUZ – Agentur der Fotografen. Ihre Werke wurden weltweit in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, darunter eine große Werkschau im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen.
Werner Mahler studierte ebenfalls an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. In den 1970er und 1980er Jahren setzten sich seine Bilder vor allem mit dem Alltagsleben in der DDR auseinander. Nach der Wende zeichnete sich sein Werk vor allem durch die Nutzung historischer Kameras aus, mit denen er surreal wirkende Bildsequenzen schafft.
Zu ihren gemeinsamen Projekten zählen unter anderem Monalisen der Vorstädte (2008-2011), An den Strömen (2019-heute) sowie Ein Dorf (1950-2022), das 2024 mit der Goldmedaille des Deutschen Fotobuchpreises geehrt wurde. Beide wurden für ihr eigenes und das gemeinsame Werk mit zahlreichen weiteren renommierten Preisen ausgezeichnet – darunter der Lotto Brandenburg Kunstpreis für Fotografie, der silberne Nagel des ADC und der Kulturpreis 2023 der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh).
Gemeinsame Arbeiten (unter anderem):
Monalisen der Vorstädte (2008–2011)
Kleinstadt (2015–2018)
Ein Dorf (1950–2022)
An den Strömen (2019–heute)
Reinhard Müller
Reinhard Müller, geboren 1944, studierte Germanistik, Geschichte und Soziologie in München, Regensburg und Hamburg. Von 1978 bis 1989 war er Mitarbeiter der Gedenkstätte Ernst Thälmann in Hamburg. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung recherchierte er seit 1990 in Moskauer Archiven zur Geschichte des Exils in der Sowjetunion.
Publikationen (unter anderem):
Die Säuberung. Georg Lukács, Johannes R. Becher, Friedrich Wolf u.a. Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1991
Menschenfalle Moskau. Exil und stalinistische Verfolgung. Hamburger Edition, Hamburg 2002
Herbert Wehner. Moskau 1937. Hamburger Edition, Hamburg 2004
Bertolt Brecht und die Moskauer Prozesse. „Ist also schweigen das beste?“, in: Annette Leo (Hg.), „Ich bereite meinen nächsten Irrtum vor“. Bertolt Brecht und die Sowjetunion. Verbrecher Verlag, Berlin 2019, S. 25-71
Anne Hartmann / Reinhard Müller (Hg.): Tribunale als Trauma. Die Deutsche Sektion des Sowjetischen Schriftstellerverbands. Protokolle, Resolutionen, Briefe (1935-1941). Wallstein, Göttingen 2022