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04.10.2024

Giftgaseinsatz unter Mikroben: Kampf ums Eisen in den Ozeanen der frühen Erde

Team der Universitäten Tübingen und Bristol erforscht, welche Bakterien die Gesteinsablagerungen der gebänderten Eisenerze bildeten

Rostige Eisenminerale entstehen, wenn phototrophe Bakterien gelöstes Eisen mit Hilfe von Licht oxidieren.

Auf der frühen Erde enthielt die Atmosphäre noch keinen Sauerstoff; dennoch wurde das in den Ozeanen gelöste Eisen in gigantischen Mengen oxidiert und als Gestein abgelagert, zum Beispiel als gebänderte Eisenerze in Südafrika. Unlösliches Eisen scheiden verschiedene Bakterien über jeweils eigene Stoffwechselreaktionen aus: Die einen, die phototrophen Eisenoxidierer, gewinnen Energie, indem sie das Eisen mithilfe von Sonnenlicht oxidieren, und die anderen, indem sie das Eisen mit Nitrat als Oxidationsmittel umsetzen. Ein internationales Forschungsteam mit Dr. Casey Bryce von der Universität Bristol sowie Dr. Verena Nikeleit und Professor Andreas Kappler aus der Geomikrobiologie der Universität Tübingen erforscht, wer in der Konkurrenz um das Eisen jeweils die Oberhand hatte. Dabei setzten die bakteriellen Kontrahenten auch giftiges Stickstoffmonoxid ein. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht.

Vor zwei bis drei Milliarden Jahren hatte die Erdatmosphäre eine völlig andere Zusammensetzung als heute. „Heute würde das damals in den Ozeanen vorhandene Eisen in seiner reduzierten Form durch den Sauerstoff in der Atmosphäre schnell zu rostigen Eisenmineralen oxidiert“, erklärt Andreas Kappler. Obwohl es auf der frühen Erde noch keinen Sauerstoff gab, zeigten riesige Gesteinsablagerungen aus Eisen, dass Mikroben es bereits zu dieser Zeit effektiv oxidierten.

Experimente im Labor

„Bevor es Sauerstoff auf der Erde gab, haben phototrophe Eisenoxidierer die riesigen Eisenoxidablagerungen gebildet, die heute als gebänderte Eisenerze bekannt sind“, sagt Casey Bryce, Leiterin des Projekts, vormals an der Universität Tübingen, mittlerweile an der Universität Bristol tätig. „Wir wollten wissen, ob diese Bakterien in Konkurrenz mit anderen Eisenoxidierern standen, die Nitrat nutzten.“ Daraus ergaben sich die Fragen, ob diese konkurrierenden Mikroben tatsächlich nebeneinander existieren konnten, und wenn das der Fall war, welche von ihnen hauptsächlich für die Eisenoxidation verantwortlich waren.

„Um die Situation auf der frühen Erde besser zu verstehen, haben wir Laborexperimente durchgeführt“, sagt Verena Nikeleit von der Universität Tübingen, die inzwischen an das norwegische Forschungszentrum NORCE gewechselt hat. Das Forschungsteam verwendete je einen Bakterienstamm der verschiedenen Eisenoxidierer und ließ sie unter den Bedingungen wachsen, wie sie damals vor zwei bis drei Milliarden Jahren herrschten, im Licht und mit den gleichen Konzentrationen an Eisen, Nitrat und Kohlendioxid. „Zu unserer Überraschung war das Nitrat schnell aufgebraucht, und das Eisen wurde oxidiert. Aber wir konnten keine Eisenoxidation durch die phototrophen Eisenoxidierer feststellen“, sagt Nikeleit. Die Analysen zeigten, dass die nitratverbrauchenden Eisenoxidierer als giftiges Nebenprodukt Stickstoffmonoxid bildeten. „Das brachte die Aktivität der phototrophen Eisenoxidierer komplett zum Erliegen. Das heißt, diese Mikroben haben die phototrophen Eisenoxidierer durch die Bildung eines giftigen Gases getötet.“

Komplexes Netz an Wechselwirkungen

„Eine Hypothese besagt, dass die phototrophen Eisenoxidierer in späteren Phasen der Erdgeschichte wahrscheinlich kaum mehr zur Bildung der gebänderten Eisenerze beitrugen“, sagt Andreas Kappler. Denn durch die Aktivität anderer Mikroben enthielt die Erdatmosphäre – sozusagen in einer ersten großen Umweltverschmutzung – zunehmend mehr Sauerstoff. „Dieser dürfte auch in manche Bereiche der Ozeane gelangt sein, wo dann in der Folge Nitrat gebildet werden konnte. Unsere Ergebnisse bringen zum ersten Mal einen experimentellen Beweis für die Hypothese, dass phototrophe Eisenoxidierer in Gebieten mit hoher Produktivität während dieser Zeit giftigem Stickstoffmonoxid ausgesetzt gewesen sein könnten. Sie müssten sich weiter aus den nährstoffreichen Gebieten entfernt haben und konnten entsprechend weniger Eisen ablagern.“

Casey Bryce berichtet, dass nach Berechnungen des Forschungsteams die Eisenoxidation durch nitratreduzierende Bakterien zunächst den verringerten Beitrag von phototrophen Eisenoxidierern ausgeglichen haben könnte. „Der anfängliche Wettbewerb der verschiedenen Bakterien würde die Bildung der gebänderten Eisenformationen also nicht sofort stoppen“, sagt sie. Um ein genaueres Bild der Abläufe zu bekommen, seien weitere Messungen und Untersuchungen nötig. „Unsere Studie gibt einen Einblick, wie sich die Sauerstoffanreicherung der Erdatmosphäre auf andere Nährstoffkreisläufe der Ozeane ausgewirkt haben könnte. Das verdeutlicht, in welch komplexem Netz biogeochemische Wechselwirkungen das Leben in den frühen Ozeanen der Erde steuerten.“

Publikation:
Verena Nikeleit, Adrian Mellage, Giorgio Bianchini, Lea Sauter, Steffen Buessecker, Stefanie Gotterbarm, Manuel Schad, Kurt Konhauser, Aubrey L. Zerkle, Patricia Sanchez-Baracaldo, Andreas Kappler, Casey Bryce: Inhibition of phototrophic iron oxidation by nitric oxide in ferruginous environments. Nature Geoscience, https://doi.org/10.1038/s41561-024-01560-9 

Kontakt: 
Prof. Dr. Andreas Kappler
Universität Tübingen 
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Geomikrobiologie
Telefon +49 7071 29-74992
andreas.kapplerspam prevention@uni-tuebingen.de 

Pressekontakt:

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Hochschulkommunikation
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Leitung

Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
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Telefax +49 7071 29-5566
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