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27.03.2025

In Troja tranken auch einfache Leute Wein

Chemische Analyse beweist erstmals Wein aus Depas-Bechern – nicht nur Oberschicht hatte Zugang zu Genussmittel

Depas-Becher, ausgegraben von Heinrich Schliemann, 15 cm hoch, Sammlung für Klassische Archäologie, Universität Tübingen

Einem Forscherteam ist erstmals der chemische Nachweis gelungen, dass in Troja tatsächlich Wein getrunken wurde. Das hatte bereits der Entdecker der legendären Siedlungs- und Festungsanlage, Heinrich Schliemann, im 19. Jahrhundert vermutet. Außerdem fanden die Forschenden der Universität Tübingen, Bonn und Jena heraus, dass auch einfache Leute in Troja Wein tranken – nicht nur Angehörige der Elite. Das Fachmagazin American Journal of Archaeology hat die Erkenntnisse nun in seiner Aprilausgabe veröffentlicht.

„Jener sprach´s, und erhob sich, und nahm den doppelten Becher“ steht gleich im ersten Kapitel der Ilias geschrieben. Die Rede ist von Hephaistos, dem Gott des Feuers, der Schmiedekunst und der Vulkane, der zu seiner Mutter Hera spricht. „Lächelnd darauf entnahm sie der Hand des Sohnes den Becher. Jener schenkte nunmehr auch der übrigen Götterversammlung Rechts herum, dem Kruge den süßen Nektar entschöpfend.“

Das erwähnte Trinkgefäß, der Depas-Becher (depas amphikypellon), ist Archäologinnen und Archäologen gut bekannt: Ein zwölf bis vierzig Zentimeter hohes, schlankes Trinkgefäß aus Ton mit zwei Henkeln und spitz zulaufendendem Ende. Über hundert solcher Becher wurden bis heute allein in Troja für den Zeitraum von 2500 bis 2000 v.Chr. gefunden. Sie sind von der Ägäis über Kleinasien bis nach Mesopotamien verbreitet und können 0,25 bis 1 Liter fassen. „Bereits Heinrich Schliemann vermutete, dass der Depas-Becher bei festlichen Anlässen in geselliger Runde herumgereicht wurde, so wie in der Ilias beschrieben“, sagte Dr. Stephan Blum vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Tübingen und Co-Autor der Studie.

Aus den Funden Schliemanns befinden sich ein Depas-Becher und zwei Fragmente in der Sammlung der Klassischen Archäologie der Universität Tübingen. Maxime Rageot von der Universität Bonn fräste eine Probe von zwei Gramm aus den zwei Fragmenten. Anschließend erhitzte er die Proben auf 380 Grad Celsius und untersuchte das entstehende Gemisch per Gaschromatographie (GC) und -Massenspektronomie (GC-MS). „Entscheidend war der Nachweis von Bernstein- und Pyruvatsäure: Sie entstehen erst, wenn Traubensaft fermentiert. Somit können wir nun sicher sagen, dass aus den Depas-Bechern tatsächlich Wein getrunken wurde und nicht nur Traubensaft“, sagte Maxime Rageot von der Universität Bonn.

Wein war das kostbarste Getränk in der Bronzezeit und ein Depas-Becher das edelste Gefäß. Depas-Becher wurden in Tempel- und Palastanlagen gefunden. Deshalb schlossen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Weinkonsum zu besonderen Anlässen in elitären Kreisen. Doch tranken vielleicht auch Menschen aus der Unterschicht in Troja Wein als alltägliches Nahrungs- und Genussmittel? „Wir haben auch gewöhnliche Tassen, die in der Außensiedlung Trojas und damit außerhalb der Zitadelle gefunden wurden, chemisch untersucht. Auch diese Gefäße enthielten Wein!“, sagte Stephan Blum von der Universität Tübingen. „Damit ist klar, dass Wein ein Alltagsgetränk auch der einfachen Leute war.“

„Die Troja-Forschung hat an der Universität Tübingen eine lange Tradition, und ich freue mich, dass wir ein weiteres Puzzlestück dem Bild über Troja hinzufügen konnten“, sagte Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, die Rektorin der Universität Tübingen. Die Ausgrabungen in Troja (türkisch: Hisarlık) wurden von 1987 bis 2012 von der Universität Tübingen geleitet. Derzeit werden die Grabungsergebnisse ausgewertet und weiterführende Analysen am Fundmaterial durchgeführt.

Originalpublikation:

The Question of Wine Consumption in Early Bronze Age Troy: Organic Residue Analysis and the Depas amphekypellon. Stephan W.E. Blum, Maxime Rageot, Tobias Mühlenbruch. American Journal of Archaeology, Vol 129, Number 2, April 2025. https://doi.org/10.1086/734061

Kontakt:

Dr. Stephan Blum 
Universität Tübingen 
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterliche Archäologie
Telefon +49 7071 29-75288
stephan.blumspam prevention@uni-tuebingen.de

Dr. Maxime Rageot
Institut für Archäologie und Kulturanthropologie
Universität Bonn
Tel: +49-228-73-6427
rageotspam prevention@uni-bonn.de 

PD Dr. Tobias Mühlenbruch 
Universität Jena
Tel: +49 3641 9-401035
tobias.muehlenbruchspam prevention@uni-jena.de

Pressekontakt:

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Christfried Dornis
Leitung

Tilman Wörtz
Pressereferent
Telefon +49 7071 29-78622
Telefax +49 7071 29-5566
tilman.woertzspam prevention@uni-tuebingen.de

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