Sie sind heute eine gefragte Weinkritikerin und besitzen das Certified PAR Master- und WSET III-Zertifikat, daher interessiert uns Ihr Kennerurteil: Woran erkennt man einen guten Wein?
Die Einschätzung ‚guter Wein‘ ist natürlich subjektiv und für jeden individuell. Für mich fängt ein guter Wein aufgrund meiner Naturverbundenheit damit an, dass er ökologisch oder besser noch biodynamisch - nach der Philosophie Rudolf Steiners - hergestellt wurde. Und im Keller sollte er handwerklich gemacht sein.
Für mich ist ein Wein gut, wenn er mir von seinem Terroir, dem Boden, auf dem er wächst, erzählt. Und wenn ich ihn nicht vergesse, ist er bestimmt sehr, sehr gut. Wirklich großartig ist er für mich erst dann, wenn er mich zu Emotionen rührt und ich von seiner Schönheit ergriffen bin. Wein ist nicht nur ein Getränk, sondern ein Erlebnis… – wie der Besuch einer Kunstausstellung oder ein Konzert mit der eigenen Lieblingsmusik. Ralf und ich suchen als Winzer und Weinkritikerin genau diese Plusdimension, zusätzlich zur nachhaltigen und umweltschonenden Anbauweise.
An welche Orte in Tübingen erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
Ich habe den Alten und den Neuen Botanischen Garten auf der Morgenstelle geliebt. Oder die Alte Physik mit dem unglaublich steilen Hörsaal, in dem ich mit meinen 1,80 Metern oft saß – nicht besonders bequem, aber dennoch gerne. In der Stadt liebten wir Kneipen wie die Marquardtei, das Café Wichtig und den „Affenfelsen“. Vom Affenfelsen beim Treppenabsatz neben dem Nonnenhaus konnten wir gut beobachten, wer zum Studieren ging oder wer gerade vom Studieren kam. Das war unser Aussichts- und auch Treffpunkt! Ironie des Schicksals: einer meiner heute besten Freunde muss sich damals zur selben Zeit dort aufgehalten haben. Er studierte damals wie ich Jura, ich las später über ihn in der Neuen Zürcher Zeitung: Der Rechtsanwalt mit dem Weinberg. Ich bin ihm erst später bei einem befreundeten Winzer in Ungarn zum ersten Mal begegnet. Das alles lässt mein Herz in Erinnerung an Tübingen und an die Wege, die ich dort gegangen bin, höherschlagen.
Was würden Sie Studierenden heute mitgeben?
Jura bietet als Geisteswissenschaft eine sehr breite Ausbildung, mit der man in jede Sparte eintreten kann und sehr flexibel ist. Es ist gut Träume und Pläne zu haben, aber auch sehr wichtig, sich nicht nur auf eine Sache oder einen Berufsweg zu versteifen, denn im Leben kommt es oft anders als man denkt. Für meine Entwicklung war es wichtig, von Zuhause auszuziehen und auch mal etwas ganz alleine zu wagen. Wenn Jura mir zu trocken und Tübingen mir zu eng wurde, bin ich nach Island ausgebüxt, um mit den Pferden zu arbeiten. Dort und auch im Studium habe ich so viele Menschen kennengelernt wie vorher und nachher nie wieder, diese Chancen sollte man nutzen. In dieser einprägsamen Zeit entstehen Freundschaften für das Leben.