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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2021: Leute

Leidenschaftliche Archäologin, Dozentin und Ausstellungsmacherin

Zum Tod von Professorin Dr. Bettina Baronesse von Freytag gen. Löringhoff ein Nachruf von Friedhelm Prayon

Am 16. August verstarb nach langer Krankheit die ehemalige Leiterin der Antikensammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen, Frau Professorin Dr. Bettina Baronesse von Freytag gen. Löringhoff. 

1943 in Stuttgart geboren, Tochter des Philosophieprofessors Bruno von Freytag-Löringhoff, studierte Bettina von Freytag nach dem Abitur am hiesigen Uhland-Gymnasium in Tübingen im Hauptfach Klassische Archäologie und promovierte 1971 bei Prof. Ulrich Hausmann. Ihr Dissertationsthema „Das Giebelrelief von Telamon und seine Stellung innerhalb der Ikonographie der ‚Sieben gegen Theben‘“ (Mainz 1986) erhielt sie von Dr. Otto-Wilhelm von Vacano, dem seinerzeitigen Kustos der Antikensammlung, der an dem etruskischen Tempel in der Toskana Ausgrabungen durchgeführt hatte. 

Schon während des Studiums nahm Bettina von Freytag an verschiedenen Ausgrabungen in Griechenland und der Türkei teil, wobei ihr ihre außerordentlichen Sprachkenntnisse zugute kamen, die neben den antiken Sprachen auch Englisch, Französisch, Italienisch, Neugriechisch und Türkisch umfassten.  An die Promotion schlossen sich vier Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft in Olympia und in Athen an, wobei die Ausgrabungen im Kerameikos, dem antiken Athener Staatsfriedhof, für ihre weitere archäologische und publizistische Tätigkeit mitbestimmend werden sollte. Hier führte sie während ihrer späteren Tübinger Tätigkeit ab 1976 Lehrgrabungen mit Studierenden durch – ein für die damalige Zeit ungewöhnliches und innovatives Lehrkonzept. Eine wissenschaftliche Sensation gelang ihr 2002 durch die Entdeckung spektakulärer Grabplastiken, darunter der weitgehend erhaltene Torso eines überlebensgroßen Kouros, zwei vollplastische Löwenköpfe sowie eine Sphinx, deren Gegenstück sich schon zuvor im Athener Nationalmuseum befand.

1976 hatte Bettina von Freytag in der Nachfolge von Otto-Wilhelm von Vacano die Kustodenstelle der Archäologischen Sammlung übernommen, ab 1996 war sie ebendort Akademische Direktorin sowie zusätzlich ab 1989 Leiterin des neu geschaffenen Universitätsmuseums in Schloss Hohentübingen. Seit ihrer Habilitation 1998 war sie zudem außerplanmäßige Professorin an der Universität Tübingen. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten, methodisch stark geprägt durch O. W. von Vacano, umfassen, neben den Grabungsberichten, vor allem ikonographische Themen antiker Kleinkunst aus dem Bereich der Tübinger Sammlungen. 

Ihre doppelte Tätigkeit als Kustodin der archäologischen Sammlungen und als Dozentin hat Bettina von Freytag mit großer Hingabe ausgeführt. So ist die räumlich großzügige Präsentation der archäologischen Sammlungen auf Schloss Hohentübingen unter Einbeziehung des ehemaligen Rittersaals seit 1989 weitestgehend ihr Verdienst, indem sie bei der Diskussion um die heftig umstrittene Raumverteilung innerhalb des neuen Museums seinerzeit ein plastisches Modell erstellen ließ, in welchem die größeren archäologischen Objekte, insbesondere die Abgüsse antiker Statuen, maßstabgerecht aufgestellt waren. Das neue Museum sollte aber nicht nur die musealen Schätze der Universität präsentieren, sondern auch das Publikum durch immer neue Themenstellungen anziehen. So fanden zwischen 1994 und 2004 allein 40 Ausstellungen der verschiedenen Abteilungen statt, die meisten konzipiert und ausgeführt von Frau von Freytag und ihren Mitarbeitern. Markante zeitliche Eckpunkte ihrer musealen Aktivitäten waren 1977 die Ausstellung in der Tübinger Kunsthalle anlässlich der 500-Jahrfeier der Universität Tübingen sowie 2007 die Etruskerausstellung in Schloss Hohentübingen.

Zu den auch weiterhin nachwirkenden Aktivitäten gehört die Einrichtung regelmäßig durchgeführter öffentlicher Führungen mit ausgewählten Themen durch Studierende sowie die Beteiligung an der Tübinger Kinderuniversität, für die sich Bettina von Freytag auch nach ihrer Pensionierung eingesetzt hat. 

Aufgrund ihrer engagierten, verlässlichen und großzügigen Art ihren Mitarbeitern und Kollegen gegenüber war Frau von Freytag eine wichtige Stütze des Instituts und mit vielen freundschaftlich verbunden.