Am 14. Januar 2022 ist Prof. em. Dr. phil. Dr. h. c. Günther Dohmen im Alter von 95 Jahren in Tübingen verstorben. Mit dem Begründer wie langjährigen Direktor des Deutschen Instituts für Fernstudien (1967-1979) und dem ersten Lehrstuhlinhaber für Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Universität Tübingen (1980-1994) verlieren wir einen profilierten Bildungswissenschaftler mit hoher nationaler wie internationaler Reputation. Sein umfangreiches wissenschaftliches Oeuvre wie auch seine profunde bildungspolitische Expertise standen und stehen für die Idee einer lebensbegleitenden subjektbezogenen Bildung, zu deren Konzipierung wie Implementation er bleibende Impulse gesetzt hat.
Seine umfänglichen erziehungswissenschaftlichen Veröffentlichungen galten vor allem den historisch-systematischen Grundlagen des Faches, der Konzipierung selbstgesteuerten Lernens Erwachsener im Kontext vielfältiger Lernwege und -orte sowie der Diskussion internationaler Erfahrungen und Tendenzen.
Seine nachgefragte bildungspolitische Expertise manifestierte sich in einer weit verzweigten Beratungstätigkeit auf nationaler wie internationaler Ebene und schlug sich in zahlreichen Gutachten für Organe und Gremien auf Bundes- und Landesebene sowie für internationale Organisationen wie UN, UNESCO, OECD, EU und Europarat nieder. Günther Dohmen wirkte u.a. als wissenschaftlicher Berater des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, als Vorsitzender der gesamtdeutschen „Konzertierten Aktion Weiterbildung“, als langjähriger Vorsitzender des Baden-Württembergischen und Deutschen Volkshochschulverbands, als Mitbegründer und Vizepräsident des Europäischen Erwachsenenbildungsverbands, als Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission sowie als Gastprofessor in 33 Ländern.
Das unermüdliche bildungspolitische Engagement Günther Dohmens fand seinen sichtbaren Ausdruck in vielfältigen Ehrungen, so in der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande und 1. Klasse, der Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg, der Verleihung der Ehrendoktorwürde der britischen „Open University“ und der Aufnahme in die „International Adult and Continuing-Education Hall of Fame“ in den USA.
Im Jahr 1997 wurde Günther Dohmen vom Deutschen Volkshochschul-Verband kommissarisch zum wissenschaftlichen Direktor des "Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung" bestellt. Er begleitete das Institut durch die schwierige Phase der vom Wissenschaftsrat empfohlenen rechtlichen Verselbständigung des Instituts. Da er im Volkshochschul-Verband als ehemaliger Vorsitzender ein hohes persönliches Ansehen genoss und gleichzeitig von der Notwendigkeit der wissenschaftlichen Unabhängigkeit des Instituts überzeugt war, gelang es ihm mit dem Institut, den rechtlichen, organisatorischen und personellen Übergang weitgehend friktionslos zu gestalten und die Leistungsfähigkeit des Instituts zu sichern.
Bis ins hohe Alter hinein vermochte Günther Dohmen Studierende und den wissenschaftlichen Nachwuchs fachlich wie menschlich nachhaltig zu beeindrucken und für „die gemeinsame Sache“ zu gewinnen. Wer Günther Dohmen persönlich kennenlernen durfte, wird ihn als eher zurückhaltenden und bescheidenen Menschen in Erinnerung behalten. Sein entschiedenes pädagogisch-humanistisches Grundanliegen war gleichwohl stets klar vernehmbar. Diese Stimme wird uns fehlen.