Ein Piktogramm, geschlechtsneutral, das scheint auf den ersten Blick unproblematisch. Doch Inkontinenzwindeln, künstliche Darmausgänge, selbst Achselschweiß werden von Körperscannern als „potentiell gefährliche Abweichung“ erkannt. Bei Körperscannern treten noch immer viele Probleme auf, die die Forscher am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen in ihrem Projekt „Körperscanner: Reflexion der Ethik auf Technik und Anwendungskontexte“ (KRETA) untersuchen. Ihr Anliegen: Auf Diskriminierung durch Technik aufmerksam machen und sie möglichst vermeiden.
Die Besucher, die Mitte Juli am Tag der offenen Tür sehen wollten, was der Körperscanner von ihnen abbildet, erlebten einige Überraschungen. Und nicht immer ließ sich herausfinden, was der Scanner tatsächlich markierte. Während manche Fehltreffer wie Schweißflecken noch vergleichsweise unproblematisch aus der Welt zu räumen sind, wird es in anderen Fällen ethisch schwierig. Denn auch medizinische Einschränkungen und anatomische Besonderheiten, die die Betroffenen gerne verborgen halten würden, werden erkannt. Das können Prothesen und große Narben sein. Aber auch Menschen, deren biologisches Geschlecht vom sozialen Geschlecht abweicht, sind betroffen. Das Gerät geht von Normkörpern aus, Abweichungen davon werden markiert.
Seit 2011 hat das IZEW einen eigenen Körperscanner. Er arbeitet mit Terahertz-Wellen, die gesundheitlich als unproblematisch gelten. Eine ähnliche Technik nutzt auch das Gerät, das derzeit am Stuttgarter Flughafen zu Testzwecken eingesetzt wird.
„Die Schaffung von Sicherheit hat ihren Preis“, sagt die Ethikerin Professorin Dr. Regina Ammicht Quinn. Sie ist Projektleiterin von KRETA und weist immer wieder auf die Gefahr der Stigmatisierung hin, die in der Anwendung dieser Technik steckt. Es stelle sich die Frage, wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgehe, sagt Ammicht Quinn. Bei Sicherheitskontrollen müsse daher ein Weg gefunden werden, um Menschen, die keinen „Normkörper“ haben, nicht zu diskriminieren – sie also auch nicht einfach gesondert zu kontrollieren.
Im Projekt KRETA, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), arbeiten Sozialwissenschaftler, Ethiker und Psychologen interdisziplinär zusammen. Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit den Auswirkungen der Körperscanner auf Individuen und Gesellschaft. Außerdem untersuchen sie den Konflikt zwischen einer inklusiven Gesellschaft und den Versuchen, die Sicherheit von Menschen zu erhöhen.
Weitere Informationen zum Projekt KRETA unter http://www.uni-tuebingen.de/de/20780
Jörg Schäfer