Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2016: Schwerpunkt

„Es kann nicht immer völlig problemlos laufen, aber man ist damit nicht allein“

Doktorandenberatung im Graduiertenkolleg 1808: Ambiguität – Produktion und Rezeption

Die Beratung von Promovierenden findet auch in kleineren Einheiten statt, wie beispielsweise an der Philosophischen Fakultät in Form des Graduiertenkollegs 1808: Ambiguität – Produktion und Rezeption an der Universität Tübingen. „Meinem bisherigen Eindruck nach führen Dissertationsvorhaben am ehesten dann zum Erfolg, wenn die Betreuung seitens der Professorinnen und Professoren und anderen Promovierenden dem Gefühl der Frustration zu begegnen weiß, das immer dann auftritt, wenn die betreffende Person an einem bestimmten Punkt nicht weiterkommt. Im Grunde ist ein Hauptziel des Beratungsangebots im Kolleg, dass niemand lediglich aus Frust seine Doktorarbeit abbricht – diesem sehe ich mich besonders verbunden“, erklärt Potysch. Er ist seit Oktober 2013 Doktorand am Graduiertenkolleg und steht als Graduiertensprecher innerhalb des Graduiertenkollegs den anderen Doktoranden als Ansprechpartner für fast alle Themen rund um die Promotion – als Bindeglied zur nächsthöheren Betreuungsebene – zur Verfügung.

Ähnliche Herausforderungen bei allen Doktorandinnen und Doktoranden

„Als Doktorandin oder Doktorand müssen Sie von Anfang an sehr kritikfähig sein. Man arbeitet oft wochenlang an einem Teilbereich seines Forschungsvorhabens, der danach von verschiedenen Korrektiven wie beispielsweise den Betreuern beurteilt wird. Und diese Situationen kommen während der Promotion immer wieder. Es hilft aber zu wissen, dass das wirklich jedem so geht – das gehört dazu und ist letzten Endes auch wichtig für ein gutes Gelingen“, meint Potysch. Feste Sprechzeiten gibt es bei ihm nicht. Wenn seine Bürotür offen steht, hat er in der Regel auch Zeit, um Fragen zur Promotion zu besprechen oder für größere Fragestellungen einen Termin mit den anderen Promovierenden oder Betreuerinnen und Betreuern zu vereinbaren. Bei derzeit 18 Doktorandinnen und Doktoranden im Graduiertenkolleg kennt man sich untereinander und hat oft mit ähnlichen Herausforderungen zu tun.

Gemeinsames Forschungsthema als Vorteil in der Beratung

„Das Fragenspektrum in meiner Beratung ist sehr weit. Bei inhaltlichen Fragen ist es natürlich von Vorteil, dass wir im Graduiertenkolleg im weitesten Sinne am selben Thema arbeiten, nämlich an Ambiguität, also Doppeldeutigkeit“, erklärt Nicolas Potysch. „Bei den inhaltlichen Fragen geht es oft um die Struktur der Doktorarbeit oder die grundsätzliche Herangehensweise an die Fragestellung. Häufig stellt sich beispielsweise heraus, dass die ursprüngliche Frage viel zu ‚groß‘ für eine einzige Dissertation ist oder sich die Fragestellung umgekehrt nur als Puzzleteil eines viel umfassenderen Problemfelds erweist.“ Es gebe natürlich auch Situationen, in denen noch gar nicht so richtig klar sei, wo es „knirscht“. Man könne also noch nicht mit einer konkreten Frage zu seinem Betreuer bzw. zum Betreuerteam gehen. Auch in solchen Fällen berät Potysch.

„Wichtig für Promovierende ist neben der Erfahrung, dass eben nicht immer alles problemlos läuft, zusätzlich die Gewissheit, dass man damit nicht alleine ist – es ist also sogar normal. Es kann vorkommen, dass man sich völlig unwissend fühlt und merkt, dass man gerade überfordert ist – mit so etwas gehen Promovierende meist ungern gleich zum betreuenden Professor oder zur Professorin, auch wenn das Betreuungsverhältnis ein sehr gutes ist. An dieser Stelle kommt dann das Beratungsangebot auf Peer-Level, sozusagen auf Augenhöhe zwischen Promovierenden, ins Spiel, das ich als zentralen Aspekt meiner Sprecherfunktion begreife.“

Als positiv sieht Potysch an seiner Beratungsfunktion die Tatsache, dass eine Person die Beratungsaufgabe übernimmt, die selbst noch Doktorand ist. Dadurch werde die Beratung sehr authentisch und viele Einblicke, die für die Beratung von großer Bedeutung sind, seien erst aufgrund dieser Augenhöhe denkbar. „Ich habe ja selbst Tage, an denen ich das Gefühl habe, dass ich meine Dissertation nie fertig bekomme“, lacht Nicolas Potysch.

Johannes Baral