B 04: Ressourcensuche als Auslöser von ‚Kolonisationsprozessen‘? Ursachenforschung zur Gründung griechischer Pflanzstädte zwischen Schwarzmeer und westlichem Mittelmeer |
Projektleitung: Prof. Dr. Richard Posamentir |
Mitarbeiter/ innen: Kai Riehle, Kirsten Hellström |
Zusammenfassung
Dieses Teilprojekt untersucht für ausgewählte Regionen der antiken Welt vergleichend die Rolle, die Ressourcen aller Arten bei den Migrationsbewegungen im Rahmen der ‚Großen Griechischen Kolonisation‘ im 8.–6. Jh. v. Chr. gespielt haben oder gespielt haben könnten. In diesem Zeitraum erschlossen griechische Siedler mehrere geographische Areale am Rande ihrer bisherigen Welt, wobei die tatsächlichen Auslöser für diese dynamischen Prozesse, die zur Etablierung zahlloser Pflanzstädte in Ost und West führten, zumeist noch immer im Dunkeln liegen. Obwohl die sozio-kulturellen Ausgangslagen in den diversen Gebieten sicherlich als sehr unterschiedlich zu bezeichnen sind, so fällt doch auf, dass intensive Siedlungstätigkeit auch in jenen Arealen (z. B. Schwarzmeergebiet) stattfand, die zum damaligen Zeitpunkt weder aufgrund der Lebensbedingungen ebendort, noch aufgrund der bereits vorhandenen, lokalen Populationen als besonders angenehm galten. Es muss aber auch hier überzeugende Gründe gegeben haben, um Gefahren und Witterung zu trotzen und in eine der vielfach ‚ungeliebten’ Tochterstädte zu ziehen, die in ihrer Mehrzahl zu keinem Zeitpunkt repräsentativen Ansprüchen genügten.
Wissenschaftliche Ziele
Indem das Teilprojekt diese Problematik aufgreift und sich mittels einer neuen Blickrichtung einer Lösung anzunähern versucht, verfolgt es drei klar umrissene und aufeinander bezogene Ziele:
1. Erstens ist zu eruieren, welche (auf vielerlei Ebenen) denkbaren Ressourcen überhaupt an den in Frage kommenden Siedlungsplätzen vorhanden waren bzw. durch vorhergehende Nutzung auch über einen begrenzten geographischen Raum bekannt gewesen sein konnten. Von entscheidender Bedeutung wird also hierbei sein, die jeweils ‚präkoloniale‘ und damit prähistorische Vergangenheit eines Ortes mit den ersten Phasen griechischer Besiedlung erstmals zu verknüpfen, da sich nur daraus jenes Bild ergeben kann, das griechische Siedler bei ihren Unternehmungen vor Augen haben konnten.
2. Daran anschließend ist zweitens der Frage nachzugehen, ob das Wissen um oder die Suche nach bestimmten Ressourcen bei den griechischen ‚Wanderungsbewegungen‘ überhaupt eine entscheidende Rolle spielte und wenn ja, um welche Ressourcen es sich dabei jeweils gehandelt haben könnte. Hierfür sind fallweise auch archäometrische Analysemethoden einzusetzen, doch ist vor allem mittels zahlreicher neuer, aber sehr disparat publizierter Einzelergebnisse aus den verschiedenen Regionen ein aktuelles Gesamtbild zu entwerfen.
3. Schließlich geht es auch um den überregionalen Vergleich einzelner Gebiete (Apoikien im Osten und Westen) unter diesem Gesichtspunkt, der zu einem besseren Verständnis der Grundproblematik beitragen könnte. Der Aspekt eines denkbaren ‚Rückflusses‘ gewonnener Ressourcen in die Mutterstädte darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, denn er würde die unter Umständen tragende Rolle bestimmter Ressourcen als Auslöser für die ‚Große Griechische Kolonisation‘ womöglich erstmals bestätigen. Hierbei sind auch immaterielle Ressourcen ins Auge zu fassen, deren Wert durch den Vergleich mit Fragestellungen der Teilprojekte der Nachbardisziplinen (z. B. Prähistorik, Ethnologie, Wirtschaftswissenschaft, Humangeographie etc.) erstmals erkannt und richtig eingeordnet werden kann. Diese Fragestellungen bzw. Ziele eröffnen letztlich auch im Vergleich mit der Erforschung moderner Migrationsbewegungen neue Perspektiven und bilden einen Anknüpfungspunkt in die Gegenwart.
Bedeutung des Teilprojekts für den SFB
Inhaltlich stellt damit dieses Teilprojektes, das auf die Wechselwirkungen zwischen Migrationsbewegungen und Ressourcenvorkommen bzw. Ressourcenwissen fokussiert ist, einen wichtig Beitrag für die zentrale Thematik des SFB dar, indem das Phänomen Migration nicht nur in den Kontext ökonomischer Motive gestellt, sondern die kulturelle und soziale Dimension mit einbezogen wird.
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