Vom Herrscher zum Heros. Die Bildnisse Alexanders des Großen und die Imitatio Alexandri
Martin Kovacs
Marie Leidorf Verlag | 2022
Tübinger Archäologische Forschungen 34
Abstract: Die Antike kannte nicht nur ein Bild oder nur eine Idee von der Gestalt Alexanders des Großen. Im Gegenteil: Kaum eine andere historische Figur der Antike erwies sich bereits für die Zeitgenossen als so divergent, umstritten und buchstäblich vielgestaltig. Diese Vielgestaltigkeit sucht die Monographie durch eine kritische Vorlage der Darstellungen Alexanders des Großen zu erfassen, die trümmerhafte Überlieferung neu zu ordnen und für die kulturgeschichtliche Analyse nutzbar zu machen. Hierfür werden nicht nur die rundplastischen Bildwerke berücksichtigt, sondern auch konsequent andere Medien einbezogen: die Münzprägung, großformatige Monumente wie Weihgeschenke sowie die literarische und epigraphische Überlieferung. Ein entscheidendes Ergebnis stellt die Feststellung dar, dass die Figur Alexanders des Großen in unterschiedlichen Zusammenhängen entweder als göttlich oder heroisch imprägnierter Übermensch, als energischer, aber potentiell nahbarer Feldherr, oder aber als mythologische Figur mit paradigmatischer Bedeutung neu inszeniert werden konnte. Diese unterschiedlichen Konzeptualisierungen werden auf der Grundlage der hochgradig divergierenden Bildnisentwürfe zwischen dem Hellenismus, der römischen Kaiserzeit sowie der Spätantike erarbeitet, sowohl historisch als auch kulturgeschichtlich rekontextualisiert, und dabei insbesondere nach der Rolle der Akteure, welche die Bilder jeweils kommissionierten, gefragt. Diese Perspektive steht einer traditionellen Vorstellung vom Alexanderbild entgegen, bei der bislang eine eher selektive Wahrnehmung unter Bevorzugung der lebenszeitlichen Bildnisse Alexanders überwog. Die Untersuchung zeigt, dass man sich zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten, und in unterschiedlichen politischen und kulturellen Zusamenhängen divergierende Bilder vom Makedonenherrscher schuf, die in ihrer spezifischen Ikonographie auch spezifische Vorstellungen von der Figur Alexanders des Großen reflektieren. Diese Figurationen Alexanders in unterschiedlichen kulturellen Kontexten verdeutlichen die Präferenzen der aufstellenden Akteure. Gerade für die Kaiserzeit kann gezeigt werden, dass Alexander auch visuell eher als mythologische, und weniger als historiographische Figur inszeniert wurde. Auf den daraus erarbeiteten Ergebnissen fußt die abschließende Analyse der visuellen Imitatio Alexandri, die bildliche Nachahmung des Makedonenkönigs in unterschiedlichen historischen und kulturellen Zusammenhängen während des Hellenismus.