Uni-Tübingen

17.11.2022

Heiligsprechungen à la russe: die Geschichtspolitik der Russisch-Orthodoxen Kirche im 21. Jahrhundert

CRCS-Jour fixe am 6. Dezember 2022 mit Dr. Oleg Morozov

Heiligsprechungen à la russe: die Geschichtspolitik der Russisch-Orthodoxen Kirche im 21. Jahrhundert 

In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Moskauer Patriarchat mehr als 2.000 Opfer der sowjetischen Verfolgungen heiliggesprochen. Daneben kanonisiert es eine Reihe von historischen Heldengestalten, die in Russland immer noch bekannt sind und sich weitaus besser als die sowjetischen Märtyrer in der Öffentlichkeit als erinnerungswürdige Personen inszenieren lassen, so z. B. der Großfürst Jaroslaw I. der Weise (978–1054), die Mönche Alexander Peresvet und Andrey Oslaba sowie der Admiral Fjodor Uschakow (1745–1817). Die Geschichte dieser Fürsten, Krieger und Feldherren ist untrennbar mit der Ausübung von Gewalt verbunden. Blutvergießen ist jedoch sowohl im Evangelium als auch in den »Grundlagen der Sozialdoktrin der Russischen Orthodoxen Kirche« verboten. Deshalb verstößt das Moskauer Patriarchat mit seiner Praxis der Heiligsprechung gegen christliche sowie gegen eigene Vorschriften und macht sich damit anfällig für Kritik.

In seinem Projekt argumentiert Morozov, dass Kanonisierungen der russischen Fürsten und Kriegshelden seit den frühen 2000er Jahren für die Geschichtspolitik der Russischen Orthodoxen Kirche von zentraler Bedeutung sind, um damit nicht nur den christlichen Glauben zu stärken, sondern auch die Staatsideologie des Kremls zu propagieren und damit die Rolle der orthodoxen Priesterschaft als Akteure der russischen Erinnerungskultur aufzuwerten.

Dr. Oleg Morozov ist vom 1. September bis 31. Dezember 2022 Refugee Guest Scientist im SFB 923 Bedrohte Ordnungen. Während seiner Zeit in Tübingen ist Morozov am Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde angesiedelt und führt hier sein Projekt zur „Geschichtspolitik der Russischen Orthodoxen Kirche im 21. Jahrhundert“ fort, das er an seiner Heimatuniversität wegen politischer Bedenken beenden musste. 

 Die Veranstaltung findet am Dienstag, 6. Dezember 2022, von 12:30-13:30 Uhr im Seminarraum 181 in der Keplerstraße 2 statt.

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