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22.10.2018

"Wer bei Digitalisierungsfragen nicht über Ethik redet, verliert die Orientierung"

Auf einer Podiumsdiskussion des Forschungsverbunds „Forum Privatheit“ diskutierten ExpertInnen und BürgerInnen in München darüber, was notwendig ist, um der Digitalisierung eine Richtung zu geben, die auch die Interessen der DatennutzerInnen angemessen berücksichtigt.

Als Informatikerin steht „Forum Privatheit“-Mitglied Marit Hansen den Chancen der Digitalisierung aufgeschlossen gegenüber. Als Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein weiß sie jedoch auch um die Schattenseiten und plädiert für eine umsichtige Datennutzung, die die Privatsphäre der Verbraucherinnen und Verbraucher wahrt. Sie jedenfalls will keine Digitalisierung um jeden Preis. „Wir halten das Wie für sehr entscheidend. Datenschutzfreundliche Techniklösungen aus der Forschung bieten hier interessante Ansätze und müssen nun in die Praxis kommen."

 

Die Digitalisierung muss die Lebensumstände der Menschen verbessern

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Leiter der Abteilung „Forschung für Digitalisierung und Innovationen“ im BMBF: „Es geht nicht nur darum, mit Hilfe von Digitalisierung das Neue in die Welt zu bringen. Es geht darum, mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, die Lebensumstände der Menschen zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um Geschwindigkeit, auf die Richtung kommt es an. Wer nur über Ethik redet, kommt nicht voran. Aber wer gar nicht über Ethik redet, verliert die Orientierung.“ Für Unternehmensberater Wolf Ingomar Faecks, der Konzerne bei digitalen Transformationsprozessen begleitet, agiert Deutschland bei der Digitalisierung bislang nicht schnell genug: „Andere Länder und Unternehmen beschleunigen, während wir rückwärtsgewandte Aufklärung betreiben. Unsere Koketterie mit digitalem Unwissen hat uns nicht weitergebracht.“ Dem hält der niederländische Wissenschaftler und Netz-Aktivist Prof. Dr. Geert Lovink entgegen, dass wir nicht mehr nur in Richtung Anwendung denken sollten, sondern auch in Richtung Verbraucherschutz. Die Forschungslandschaft müsse umdenken, ebenso Brüssel. Von Deutschland erhofft er sich – wie zu Zeiten der Entwicklung der europäischen Datenschutzgrundverordnung – eine Vorreiterrolle.

 

Datenschutz sollte Verkaufsargument sein

Chancen für Verbraucherinnen und Verbraucher sieht auch der Soziologe und Verbraucherschutzexperte Prof. Dr. Jörn Lamla. „Die Herausforderung besteht aber darin, die Chancen zu priorisieren. Zurzeit gibt es leider nur eine Perspektive: profitable ökonomische Wertschöpfung. Doch das ist nur einer von mehreren Wertgesichtspunkten, um die es in der Datenökonomie geht.“ Grundsätzlich gebe es „schwache und starke Interessen“. „Wir müssen uns fragen, ob die Institutionen, die die Verbraucherinteressen schützen, wie etwa TÜV, Kartellämter, Datenschutzbehörden oder auch Verbraucherschutzverbände, für die aktuellen und zukünftigen Aufgaben noch richtig aufgestellt sind – oder ob Verbraucherpolitik nicht stärker in die Technikgestaltung selbst einbezogen werden muss.“ Die Anwesenheit des Wirtschaftsvertreters Faecks nutzt er für einen entsprechenden Wunsch: „Unterstützen Sie die Entwicklung eines Geschäftsmodells, das aufgrund der offensiven Einbeziehung von Daten- und Verbraucherschutz ein attraktives Gegenmodell zum vorherrschenden oder chinesischen Modell darstellt – und lassen Sie uns dieses gemeinsam zum Exportschlager machen!“


Im Forum Privatheit setzen sich Expertinnen und Experten aus sieben wissenschaftlichen Institutionen interdisziplinär, kritisch und unabhängig mit Fragestellungen zum Schutz der Privatheit auseinander. Das Projekt wird vom Fraunhofer ISI koordiniert. Weitere Partner sind das Fraunhofer SIT, die Universität Duisburg-Essen, das Wissenschaftliche Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel, die Eberhard Karls Universität Tübingen, die Ludwig-Maximilians-Universität München sowie das Unabhängige Landes­zentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. Das BMBF fördert das Forum Privatheit, um den öffentlichen Diskurs zu den Themen Privatheit und Datenschutz anzuregen.

 

Organisation der Jahreskonferenz „Die Zukunft der Datenökonomie“:

Prof. Dr. Jörn Lamla
Fachgebiet Soziologische Theorie
Universität Kassel
+49 (0) 561 / 804-2185

lamlaspam prevention@uni-kassel.de

 

Prof. Dr. Thomas Hess
Institut für Wirtschaftsinformatik
und Neue Medien
Ludwig-Maximilians-Universität München
+49 (0) 89 / 2180-6391
thessspam prevention@bwl.lmu.de

 

 

Projektkoordination „Forum Privatheit“:
Dr. Michael Friedewald
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Competence Center Neue Technologien
+49 (0) 721 / 6809-146
Michael.Friedewaldspam prevention@isi.fraunhofer.de

 

Presse und Kommunikation „Forum Privatheit“:
Barbara Ferrarese, M.A.
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
+49 (0) 0721 / 6809-678
barbara.ferraresespam prevention@forum-privatheit.de

 

 

„Forum Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“
https://www.forum-privatheit.de/forum-privatheit-de/index.php
Twitter: @ForumPrivatheit

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