Uni-Tübingen

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06.11.2019

Gips-Schüle-Forschungspreis 2019 geht an den Immunologen Stefan Stevanović

Auszeichnung für die Entwicklung einer Krebsimmuntherapie durch individuelle, körpereigene Impfstoffe

Gips-Schüle-Forschungspreis: Prof. Dr. Stefan Stevanović und sein Team

Den Gips-Schüle-Forschungspreis erhält dieses Jahr Professor Stefan Stevanović vom Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen. Gemeinsam mit seinem interdisziplinären Team stellt er Impfstoffe für die Krebsimmuntherapie aus körpereigenen Peptiden her. Der Preis der Gips-Schüle-Stiftung ist mit 50.000 Euro dotiert. Er wurde Stevanović bei einer Feier am 5. November von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Professor Erwin Teufel und dem ehemaligen Wissenschaftsminister Professor Peter Frankenberg in Stuttgart überreicht. Die Gips-Schüle-Stiftung verlieh außerdem den mit  15.000 Euro dotierten Klaus-Koeppen-Preis für soziale Innovation an Professor Nicolas Rüsch von der Universität Ulm und seine Forschungsgruppe. Ausgezeichnet wird das Gruppenprogramm „In Würde zu sich stehen“, das Jugendliche mit psychischen Erkrankungen effektiv bei der Bewältigung von Stigmatisierung unterstützt.

„Technik für den Menschen“ lautet das Motto, unter dem die Gips-Schüle-Stiftung alle zwei Jahre ihre Preise verleiht. Die Bewertungskriterien sind Interdisziplinarität, Innovationspotenzial und Anwendungsbezug in Verbindung mit gesellschaftlichem Nutzen. 20 Projektskizzen von Forschungseinrichtungen und Hochschulen aus Baden-Württemberg wurden in diesem Jahr eingereicht. Beim Forschungspreis liegt der Fokus auf technischer Innovation, während beim Klaus-Koeppen-Preis der soziale Anwendungsbezug im Vordergrund steht.

Forschungspreis: Krebsimmuntherapie durch individuelle, körpereigne Impfstoffe

Das Team rund um Stefan Stevanović forscht bereits seit 25 Jahren an den Merkmalen, die das Immunsystem nutzt, um Virus- oder Tumorerkrankungen zu erkennen und zu bekämpfen. Diese Merkmale sind Peptide,  kleine Eiweißbruchstücke auf der Oberfläche von Zellen, die das Immunsystem alarmieren können. In ihrer Arbeit gelang es den Wissenschaftlern, krankhaftes Zellgewebe verschiedener Tumorarten zu analysieren und ihre Peptide zu identifizieren. Pro Zelle finden sich etwa 10.000 verschiedene Peptide, wovon der Großteil unverdächtig ist und für den gesunden Zustand einer Zelle steht. Doch sowohl bei virusinfizierten Zellen als auch bei Tumorzellen finden sich abnormale Peptide. Das interdisziplinäre Team der Uni Tübingen bestehend aus Immunologen, Biologen, Biochemikern, Molekularmedizinern, Bioinformatikern, Pharmazeuten und Medizinern entwickelte ein Verfahren zum Bestimmen von Krebspeptiden, um daraufhin individuelle Impfstoffe herstellen zu können, welche die körpereigenen Immunabwehrzellen aktivieren. Dabei wird für jeden Patienten individuell ein Cocktail hergestellt, der als Impfung die sogenannten T-Lymphozyten (Unterform der weißen Blutkörperchen) alarmiert, welche nach der Erkennung der abnormalen Peptide gegen die schadhaften Zellen vorgehen können.

Für die Herstellung der individuellen Impfstoffe konnte kein pharmazeutisches Unternehmen gefunden werden, das in kurzer Zeit viele verschiedene Peptide in Kleinmengen unter 100 Milligramm in pharmazeutischer, „GMP“-Qualität (Good Manufacturing Practice) liefern konnte. Deshalb wurde im Jahr 2007 innerhalb der Abteilung Immunologie das Wirkstoffpeptidlabor gegründet, damit das entwickelte Verfahren in klinischen Studien getestet werden konnte. Das Tübinger Wirkstoffpeptidlabor ist die einzige universitäre Einrichtung in Deutschland, die als pharmazeutischer Hersteller Substanzen für die personalisierte Immuntherapie produzieren darf.

Weniger Nebenwirkungen, geringere Kosten

Die im Wirkstoffpeptidlabor hergestellten Impfstoffe können bei nahezu jeder Krebsform angewendet werden, bei der Proben entnommen werden können. Die Behandlung kommt zusätzlich zu den bekannten Standardtherapien wie beispielsweise Chemotherapie, Strahlentherapie oder anderen Immuntherapien zum Einsatz. Der große Vorteil dieser Behandlungsform ist, dass alle Schritte in wenigen Wochen durchführbar sind. Das heißt, der Zeitraum von der molekularen Analyse eines Tumors bis zur Verabreichung eines Impfstoffes beträgt im Idealfall nur sechs Wochen. Im Normalfall dauert die Herstellung der einzelnen Peptide jeweils drei bis vier Tage. Jedoch können durch die aktuellen Vorgaben des Arzneimittelrechts mit den vorhandenen Ressourcen jährlich nur ca. 60 Peptide hergestellt werden. Dadurch ist die Zahl der klinischen Studien bzw. Patienten limitiert.

Deshalb versteht das Wirkstofflabor seine Rolle als Pionier der Entwicklung individueller Krebsimpfstoffe und möchte durch die Weitergabe seiner Erfahrungen an mittelständische Unternehmen dazu beitragen, die Behandlungsform weiter auszubauen und so mehr Patienten den Zugang zur Immuntherapie ermöglichen. 

Gerade wird in Zusammenarbeit mit der Firma Intavis an einem Peptid-Synthesizer gearbeitet, der die Herstellung beschleunigen kann, da dadurch alle Peptide, die für einen Patienten benötigt werden, gleichzeitig hergestellt werden könnten. Dieses Verfahren würde dementsprechend auch Kosten senken, wobei die Kosten der Krebsimmuntherapie durch Peptide generell schon geringer sind als bei anderen Therapieformen. Auch bringt die von Prof. Stevanović entwickelte Behandlungsform kaum Nebenwirkungen mit sich, da es sich um körpereigene, nicht toxische Substanzen handelt, die lediglich synthetisch erzeugt werden. „Um das Verfahren noch weiter zu entwickeln, arbeiten wir gerade an dem neuartigen Hilfswirkstoff XS15, der die Immunabwehrzellen noch effizienter aktivieren soll, um so die Wirkung zu beschleunigen und zu verstärken“, erläutert Prof. Stevanović die nächsten Schritte. 

Konkrete Planungen lassen erwarten, dass in wenigen Jahren die durch das Wirkstoffpeptidlabor entwickelte Krebsimmuntherapie durch kommerzielle Anbieter wie zum Beispiel die Tübinger Firmen CeGaT und CeCaVa einer großen Zahl von Patienten zur Verfügung stehen wird. 

Über die Gips-Schüle-Stiftung

Die Gips-Schüle-Stiftung fördert Forschung, Nachwuchs und Lehre in Baden-Württemberg. Der Fokus liegt dabei auf den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie auf interdisziplinären Projekten. In ihrem Wirkungsraum Baden-Württemberg arbeitet die Stuttgarter Stiftung eng mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammen und ermöglicht die Durchführung zukunftsweisender Forschungsprojekte. Sie finanziert Stiftungsprofessuren, vergibt Stipendien, unterstützt Studienbotschafter zur Anwerbung von Abiturienten für MINT-Fächer und Projekte zur Lehreraus- und -fortbildung. Alle zwei Jahre verleiht die Stiftung ihre mit 65.000 Euro dotierten Forschungspreise sowie jährlich den mit insgesamt 17.500 dotierten Gips-Schüle-Nachwuchspreis. Weitere Informationen unter www.gips-schuele-stiftung.de 

Nach einer Pressemitteilung der Gips-Schüle-Stiftung/Alisa Koch, Hochschulkommunikation

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