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12.07.2024
Sprachentwicklung verstehen mit KI-gestützten Methoden
Förderung für „Pioniervorhaben“ von Linguist Gerhard Jäger
Professor Dr. Gerhard Jäger vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Tübingen erhält eine Förderung in der Initiative „Pioniervorhaben – Explorationen des unbekannten Unbekannten“ der Volkswagenstiftung. Jäger will eine KI-gestützte Methode entwickeln, um die Entwicklung der menschlichen Sprachen anhand gesprochener Sprachdaten zu untersuchen. Der Linguist verspricht sich davon tiefere Einblicke in die Sprachgeschichte, die auch neue Perspektiven auf das menschliche Kulturerbe eröffnen könnten. Das Projekt mit dem Titel „Phylomilia“ wird mit 550.000 Euro über drei Jahre gefördert. Mit dem „Pioniervorhaben“-Programm unterstützt die Volkswagenstiftung bahnbrechende und riskante Forschungsideen, die auf große wissenschaftliche Durchbrüche abzielen – auch mit der Option, das gesetzte Ziel zu verfehlen.
Der Projekttitel „Phylomilia“ leitet sich vom Fachbegriff „Phylogenie“ für einen evolutionären Stammbaum und dem griechischen Wort für Rede, „Omilia“, ab. Normalerweise ist die vergleichende Linguistik auf schriftliche Daten angewiesen, die von Hand transkribiert und kommentiert werden. Gerhard Jäger will diesen Schritt mit seinem Projekt umgehen und Deep-Learning-Techniken einsetzen, um akustische Sprachdaten direkt zu analysieren. Dazu wird er mit seinem Team KI-gestützte Technologien entwickeln, die gesprochene Sprache erkennen und in ein Format umwandeln können, das sich maschinell auswerten lässt. Eine statistische Analyse soll es dann ermöglichen, die die Abstammung von Sprachen zurückzuverfolgen und frühere Sprachstufen zu rekonstruieren. Die Konzentration auf gesprochene Sprache bietet den Vorteil, dass sie auch Nuancen und Details erfasst, die in der schriftlichen Aufzeichnung verloren gehen. Langfristiges Ziel des Phylomilia-Projektes ist die Entwicklung eines automatisierten Systems, das in der Lage ist, Merkmale gesprochener Sprache zu identifizieren und zu interpretieren, die über lange Zeiträume hinweg konsistent bleiben. Damit kann das Projekt neues Licht auf die Entwicklung und Interaktion von Sprachen werfen.