Uni-Tübingen

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30.05.2025

Neuer Sonderforschungsbereich ist in der Sprachwissenschaft verankert

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert fachübergreifendes Verbundprojekt zur Erforschung des „Common Ground“, dem von Kommunikationspartnerinnen und -partnern geteilten Wissen – Perspektiven aus der Kognition, Grammatik und Kommunikation

Die Universität Tübingen erhält einen neuen Sonderforschungsbereich unter dem Titel „Common Ground – Kognition, Grammatik, Kommunikation“ (SFB 1718), in dem unter der Leitung der Sprachwissenschaft Forscherinnen und Forscher aus der Theoretischen und Computerlinguistik, der Psycholinguistik, Psychologie, Rhetorik, Literaturwissenschaft und biologischen Anthropologie zusammenarbeiten. „Das Konzept ‚Common Ground‘ spielt in der Sprachwissenschaft, Philosophie und Psychologie eine wichtige Rolle und hat keine treffende deutsche Übersetzung“, erklärt die Sprecherin des Sonderforschungsbereichs, Professorin Britta Stolterfoht aus der Germanistischen Linguistik am Deutschen Seminar der Universität Tübingen. „Am besten beschrieben ist der Begriff durch geteiltes Wissen in einer Kommunikationssituation, in der auch alle voneinander wissen, dass die jeweils anderen dieses Wissen haben.“ In 18 Teilprojekten sollen Aspekte des Common Grounds in einer Zweiersituation bis hin zu gesellschaftlichen Phänomenen untersucht werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den Sonderforschungsbereich in der ersten Phase über einen Zeitraum von vier Jahren.

„Die Einwerbung dieses neuen Sonderforschungsbereichs ist ein sehr schöner Erfolg, der erkennen lässt, dass die Geisteswissenschaften an der Universität Tübingen bestens aufgestellt und untereinander wie auch in andere Bereiche hinein glänzend vernetzt sind“, sagt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, die Rektorin der Universität Tübingen.

Der Common Ground sei entscheidend für die erfolgreiche Koordination und Umsetzung jeglicher gemeinsamen Aktivitäten, sagt Britta Stolterfoht. Auf einer großmaßstäblichen Ebene sei er hilfreich, um soziale Dynamiken oder auch die Bildung der öffentlichen Meinung zu verstehen. Auf kleinerer Ebene, etwa in der Betrachtung eines Zweiergesprächs, ließen sich Nuancen der hauptsächlich sprachlichen Kommunikation erklären. „Sprache ist in diesen Situationen das effektivste Werkzeug, daher kommt der Sprachwissenschaft eine zentrale Rolle zu“, erklärt die Linguistin. Der Begriff Common Ground sei schwer zu fassen, habe aber ein großes Erklärungspotenzial, das gemeinsam von der Sprachwissenschaft und den Nachbardisziplinen genutzt werden soll. Ziel sei es, ein umfassenderes Modell des Common Grounds zu entwickeln, das in der sprachwissenschaftlichen Theorie verankert ist und empirischer Überprüfung mithilfe einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden standhält. Es kann als Bezugssystem für viele einzelne Phänomene und Rätsel in der Sprache, der sprachlichen Kommunikation und sozialen Interaktion dienen.

Teilprojekte in drei Kernbereichen

In den Teilprojekten des Kernbereichs „Kognition“ arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Linguistik, Psychologie und Anthropologie zusammen. So geht es unter anderem um die Frage, welche Rolle der Common Ground für Kinder beim Erlernen ihrer Erstsprache spielt. Untersucht werden soll, ob es auch im Verhalten von Menschenaffen Hinweise auf die Entstehung des Common Grounds gibt. In der Kombination von Psychologie und Linguistik sollen neben sprachlicher auch die Repräsentation und Verarbeitung nicht-sprachlicher Information erforscht werden, etwa die Rolle enzyklopädischen Wissens oder die Funktion sprachbegleitender Gesten.

Unter der Perspektive der „Grammatik“ im Titel des Sonderforschungsbereichs geht es um die sprachlichen Mittel, die Personen nutzen, um sich auf den Common Ground zu beziehen, wie zum Beispiel sogenannte Diskurspartikeln wie „ja“ oder „doch“. „Wenn ich sage ‚Peter hat ja mit dem Rauchen aufgehört‘, so beziehe ich mich auf etwas, das den Gesprächspartnern bereits bekannt ist oder zumindest als unkontrovers gilt. Mit dem Satz ‚Peter hat doch mit dem Rauchen aufgehört.‘ kann ich durch ‚doch‘ einen Kontrast zu Information ausdrücken, die sich bereits im Common Ground befindet“, erläutert Stolterfoht. Die Teilprojekte unter der Perspektive der Grammatik sind in der Germanistik, Anglistik und Romanistik angesiedelt.

Der Kernbereich „Kommunikation“ umfasst Teilprojekte aus der Kombination von Linguistik beziehungsweise Computerlinguistik, Rhetorik und Literaturwissenschaft. „Hier soll die Rolle unterschiedlicher Kommunikationspartner und -situationen betrachtet werden. Verglichen wird zum Beispiel die Kommunikation ‚von Angesicht zu Angesicht‘ mit der in den sozialen Medien“, berichtet Stolterfoht. „Zwei Projekte untersuchen den politischen Diskurs. Da geht es um Strategien, die zum Beispiel von rechtspopulistischen Parteien benutzt werden, um spezifische Diskurse aufzurufen.“

Begleitet wird die Forschung in den drei Kernbereichen durch zwei Plattformen, eine zur Evaluation theoretischer Konzepte und die zweite zur Evaluation empirischer Methoden.

Janna Eberhardt/Hochschulkommunikation

Kontakt:

Prof. Dr. Britta Stolterfoht
Universität Tübingen
Deutsches Seminar
Telefon +49 7071 29-74273
britta.stolterfohtspam prevention@uni-tuebingen.de

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