Uni-Tübingen

attempto online

26.05.2023

Salmonelleninfektionen mit Pathoblockern bekämpfen

Steigende Antibiotikaresistenzen erschweren die Behandlung von Salmonelleninfektionen zunehmend. Sie stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar und belasten europäische Gesundheitssysteme und die Wirtschaft pro Jahr in Milliardenhöhe. Ein Team von Forschenden um CMFI-Vorstandsmitglied Samuel Wagner hat einen neuen Therapieansatz entwickelt, der hochwirksam ist und unabhängig von Antibiotikaresistenzen funktioniert.

Kryo-Elektronentomographie-Aufnahme von Salmonella Typhi bei der Interaktion mit der Membran der Wirtszelle. CC-BY 4.0.

Ihre Produktentwicklung „Anti-virulence agents to prevent and treat Salmonella infections“ hat das Team kürzlich auf der BioVaria 2023 vorgestellt. Die BioVaria bringt Innovatoren aus der Wissenschaft, führende Technologietransfer-Experten, und Start-ups mit Investoren und Vertretern der globalen Biotech- und Pharmaindustrie zusammen.

Ziel des Teams ist es, ein neuartiges Medikament gegen Salmonelleninfektionen auf den Markt zu bringen. 

Salmonelleninfektionen: Hohe Fallzahlen sind besorgniserregend und ein Problem für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft

Salmonelleninfektionen gehören laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen beim Menschen. Bei sonst gesunden Menschen heilt eine Salmonelleninfektion meist innerhalb weniger Tage und folgenlos wieder aus.    

Bei sehr jungen und älteren Menschen kann eine durch die Infektion hervorgerufene Darmentzündung (Salmonellose) jedoch zu einem schwerwiegenden Problem werden. Denn schafft es das Immunsystem des eigenen Körpers nicht mehr die bakterielle Infektion zu bekämpfen, so droht eine lebensbedrohliche Dehydrierung durch die Durchfallerkrankung. Eine Behandlung der Symptome, wie Fieber, Durchfall und Erbrechen, reicht dann nicht mehr aus, um dem Körper die nötige Flüssigkeit zuzuführen. In diesen Fällen ist die Behandlung mit Antibiotika angezeigt.

In der Europäischen Union wurden 2021 mehr als 60 000 Salmonellose-Fälle mit einer Hospitalisierungsrate von 20% gemeldet. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit beziffert die mögliche Belastung allein für die europäische Wirtschaft auf bis zu 3 Mrd. EUR pro Jahr (Quelle: EFSA Report 2021).

Antibiotikaresistenzen erschweren die Behandlung zunehmend

Seit einigen Jahren ist ein Anstieg von Resistenzen der Salmonellen gegenüber bestimmten Antibiotika zu beobachten. Hierdurch wird die medikamentöse Behandlung der bakteriellen Infektion zunehmend erschwert und lange Krankenhausaufenthalte sowie schwere Verläufe nehmen zu. 
Um dieses Problem zu lösen, hat das Team Samuel Wagner sogenannte Pathoblocker entwickelt, die in der Behandlung einer Salmonelleninfektion eingesetzt werden können – und dies unabhängig von der Resistenz der Bakterien gegen Antibiotika.

Eine neue Technologie: Pathoblocker

Der von Samuel Wagner und seinem Team entwickelte Pathoblocker ist ein genregulierendes Molekül, dass spezifisch die Bildung des sogenannten Typ-III-Sekretionssystems (T3SS) verhindert. Das T3SS ist eine Proteinstruktur an der Zelloberfläche, das unter anderem eine Art Injektionsnadel aufweist, mittels derer krankheitserregende Bakterien ihre Proteine in Wirtszellen injizieren können. Bakterien wie z.B. Salmonellen können so ihre pathogenen Eigenschaften in die Fremdzelle übertragen. Indem Pathoblocker die Ausbildung des T3SS unterbinden, entziehen sie den Bakterien eine infektiöse Eigenschaft.

Pathoblocker bekämpfen effizient und zielgerichtet die Krankheitserreger. Die natürliche Darmflora wird im Gegensatz zu einer Antibiotikabehandlung nicht geschädigt und in Laborversuchen konnte bisher keinerlei Toxizität des Wirkstoffs festgestellt werden. Darüber hinaus könnten Pathoblockern die Wahrscheinlichkeit weiterer Resistenzbildungen gegen Antibiotika verringern, da weniger Antibiotika über einen kürzeren Zeitraum eingenommen werden müssten. Dennoch ist die Kombination mit einem Standard-Antibiotikum zur Behandlung von invasiven und antibiotikaresistenten Salmonella-Infektionen möglich.

Denkbar ist ein Medikament zur Vorbeugung des durch Salmonellen verursachten Reisedurchfalls, zur eigenständigen Behandlung und zur Verkürzung eines Krankenhausaufenthaltes bei einer Salmonelleninfektion.

Wann kommt das Medikament auf den Markt?

„Wir haben bisher wirklich großartige und eindeutige Studienergebnisse“, sagt Samuel Wagner. „Erste sehr wichtige Meilensteine waren der Nachweis der Wirksamkeit unseres Wirkstoffs und das Aufklären seiner Funktionsweise.“ Die Produktentwicklung ist jedoch ein Prozess, der reguliert ist und klinische Studien könnten nach weiterer Optimierung des Produkts 2028 starten, so Wagner. „Vorausgesetzt es finden sich Investoren für die Entwicklung dieser neuen Antiinfektiva, die einen Markt von jährlich 300 Millionen Euro eröffnen könnten.“ 

Meldung des Exzellenzclusters "Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen" (CMFI)

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Samuel Wagner, PhD
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin
Sektion für Zelluläre und Molekulare Mikrobiologie
Elfriede-Aulhorn-Str. 6
72076 Tübingen
samuel.wagnerspam prevention@med.uni-tuebingen.de

Webseite 

Zurück