Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2013: Forum

Portraitsammlungen der Universität Tübingen jetzt online verfügbar

Projekt zur Digitalisierung von rund 10.000 Bildnissen abgeschlossen

Das im Jahre 2009 gestartete, dreijährige Projekt zur wissenschaftlichen Erschließung und Digitalisierung der Portraitsammlungen der Universität Tübingen ist nun abgeschlossen. Rund 10.000 Bildnisse aus der Zeit des 16. bis 20. Jahrhunderts sind in der neuen digitalen Bilddatenbank erfasst und stehen ab sofort für die Öffentlichkeit zur Online-Recherche zur Verfügung: http://portraitsammlungen.uni-tuebingen.de.

Das Projekt wurde von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg finanziert und beinhaltete die wissenschaftliche Erschließung von Bildnissen aus den reichen historischen Sammlungsbeständen in verschiedenen Institutionen der Universität Tübingen: der Universitätsbibliothek (UB) Tübingen mit der Abteilung Historische Drucke, dem Universitätsarchiv Tübingen und der Graphischen Sammlung. Die Graphische Sammlung ist angesiedelt am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen, gleichzeitig ist sie Teil des Museums der Universität Tübingen (MUT).

Ein Anlass für den Stiftungsantrag war die Tatsache, dass während der Zeit des 2. Weltkrieges im Jahr 1941 über 4.000 Blatt Portraitgraphik aus der Graphischen Sammlung an die UB abgegeben wurden. Dies geht aus einer Übernahmebestätigung des damaligen Direktors der Bibliothek, Georg Leyh, hervor. Jedoch beinhaltet dieses Papier keine spezifizierte Auflistung der abgegebenen Portraits, die nun im aktuellen Digitalisierungsprojekt erstmals für eine größere Öffentlichkeit greifbar geworden sind.

Darüber hinaus existieren im Bestand der UB zahlreiche zusätzliche Portraits als Einzelblätter und im Kontext regional wichtiger Sammlungen illustrierter Holzschnittwerke, also in Form gebundener Bücher, wie etwa in genealogischen Werken des 16. und 17. Jahrhunderts oder in Leichenpredigten der frühen Neuzeit. Auch befindet sich in der Universitätsbibliothek Tübingen eine Sammlung von Bildnissen Martin Luthers.

Andere relevante Portraitbestände sind heute zusätzlich im Universitätsarchiv Tübingen und in der Graphischen Sammlung des Museums der Universität Tübingen (MUT) aufbewahrt. Im Universitätsarchiv sind es die Portraits aus der Studentica-Sammlung des Rutesheimer Pfarrersohnes und Kameralwissenschaftlers Georg Schmidgall (1867-1953). Dabei handelt es sich um fast 800 Portraits in verschiedenen Bildmedien: Lithographien, frühe Fotografien mit dazugehörigen Glasplatten sowie Silhouetten.

In dem 1941 an die Universitätsbibliothek Tübingen übergebenen Bestand aus der Graphischen Sammlung sind auch zahlreiche Bildnisse aus dem Vermächtnis des Kreisgerichtsrates und Stuttgarter Abgeordneten Otto Freiherr von Breitschwert (1829-1910). Dessen restliche Graphiksammlung mit anderen Bildthemen wird dagegen noch heute in der Graphischen Sammlung aufbewahrt. Dort sind auch Portraits des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem ehemaligen Bestand des Königlichen Kupferstichkabinettes Stuttgart vorhanden (heutige Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart), die vom ersten Ordinarius für Kunstgeschichte, Konrad Lange, im Jahre 1894 für die Lehrsammlung des Instituts für Kunstgeschichte erworben wurden. Im aktuellen Projekt wurde auch die Selbstbildnissammlung von Künstlern des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung von Hedwig und Gustav Adolf Rieth erfaßt sowie die Professorengalerie der Universität Tübingen.

Mit der differenzierten digitalen Erschließung dieses Bildmaterials werden nun alle diese verschiedenen Sammlungen von Portraits digital zusammen geführt und für eine größere, interessierte Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Beischriften und Widmungsadressen der Portraitierten geben Auskunft über Funktion und kulturelle, soziologische, landes- und universitätsgeschichtliche Kontexte der Dargestellten. Auch legt die Verzeichnung der Sammlungsstempel auf den Rückseiten der Bilder die Provenienzen der Portraits offen und ermöglicht vielfältige sammlungshistorische Bezüge und interdisziplinäre Fragestellungen zukünftiger Forschungen.

Das Portraitprojekt steht im Kontext einer umfassenderen Digitalisierung von wertvollen bzw. wissenschaftlich relevanten Sammlungen der Universität Tübingen. Unter der Web-Adresse http://idb.ub.uni-tuebingen.de/digitue/tue/ stehen bereits zahlreiche Handschriften und Drucke aus unterschiedlichen Disziplinen online zur Verfügung. Mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst wird die Digitalisierung kontinuierlich fortgesetzt: unter anderem stehen die Drucke des slowenischen Reformators Primus Truber aus dem 16. Jahrhundert, Flugschriftensammlungen aus dem 30-jährigen Krieg, aus der Zeit der Französischen Revolution und aus dem 1. Weltkrieg auf dem Programm. Für das nächste Jahr ist auch wieder ein übergreifendes Projekt geplant: Die Universitäts-Programmata, die auf das Universitätsarchiv Tübingen und die Universitätsbibliothek Tübingen verteilt sind, werden ab 2014, ebenfalls mit Mitteln der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg, erschlossen und digitalisiert. Für die Öffentlichkeit und die Wissenschaft werden somit wichtige Quellensammlungen, deren Existenz oft nur Spezialisten bekannt war, zugänglich gemacht.

Anette Michels und Marianne Dörr