Das Deutsche Seminar trauert um den Mediävisten Professor Dr. Manfred Günter Scholz, der am 25. Oktober 2014 im Alter von 76 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben ist. Scholz war Schüler des Tübinger Altgermanisten Professor Dr. Kurt Herbert Halbach. Er promovierte über einen Autor, der im Zentrum der Forschungen des Lehrers stand: Walther von der Vogelweide, in seinen Bezügen zu Wolfram von Eschenbach. Das initiale Interesse führte er fort, indem er das fast änigmatisch konzentrierte, aber wirkungsvolle Einführungsbuch Halbachs (1965) grundlegend umarbeitete und in der Konzeption modernisierte (1999 u. ö.). Eine Walther-Bibliographie führte er bis ins Jahr 2009 fort. Bis in die jüngste Zeit brachte Manfred Günter Scholz zu einzelnen Liedern Aufsätze heraus, die das Überkommene pointiert weiter dachten. Als Markenzeichen seiner Forschungen ließe sich die Fähigkeit nennen, auf der Basis subtiler Philologie und in umfassender Kenntnis einer fast uferlosen Forschung gezielt Akzente zu setzen. Das gilt für die zwei, den Forschungstrend der rezeptions- und kulturgeschichtlichen Literaturforschung weiterführenden Monographien „Hören und Lesen“ (1980) und „Zum Verhältnis von Autor und Publikum im 14. und 15. Jahrhundert“ (1987); die letztere greift auf das damals noch weniger erschlossene Terrain des Spätmittelalters aus. Dennoch liegt der Schwerpunkt des Scholz’schen Oeuvres weiterhin in der mittelhochdeutschen Klassik. Für die von Professor Dr. Walter Haug konzipierte Editionsreihe altdeutscher Texte im Klassiker-Verlag (Bibliothek des Mittelalters) verfasste Scholz die Kommentare zu Hartmanns „Erec“ (2004) und Gottfrieds „Tristan“ (2011). In einer ständig anschwellenden Flut von Veröffentlichungen ist dieser erste umfassende Forschungskommentar zum Roman Gottfrieds von Straßburg eine Herkulesarbeit und ein Meisterwerk zugleich. Vor allem mit diesen ebenso bewahrenden wie ständig Stellung beziehenden Erschließungswerken hat der persönlich bescheidene und zurückgezogen arbeitende Gelehrte Manfred Günter Scholz Meilensteine und Wegweiser gesetzt, die breit und lange nachwirken werden, auch über das mediävistische Fach hinaus.