Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2015: Studium und Lehre

„Lehrerbildung neu denken!“ – Tübinger School of Education vor dem Start

Stärkung der Fachdidaktik und Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf Bachelor/Master

Die Lehrerbildung an der Universität Tübingen soll mit der Einrichtung einer Professional School of Education ab Sommer 2015 vollkommen neu strukturiert werden. Das Land hat bereits im Dezember 2013 Eckpunkte zur Weiterentwicklung der Lehrerausbildung in Baden-Württemberg beschlossen: Alle Lehramtsstudiengänge werden zum Wintersemester 2015/16 auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt, Universitäten und Hochschulen sind ausdrücklich aufgefordert neue Wege in der Lehrerbildung zu gehen. Die Universität Tübingen hat in der Lehrerbildung standortbedingt – im Gegensatz zu den anderen Universitäten in Baden-Württemberg – keine Möglichkeit der Kooperation mit einer Pädagogischen Hochschule. Deswegen soll mit der School of Education eine eigenständige Lehrerbildung „aus einem Guss“ aufgebaut werden.

Ziel ist vor allem die Stärkung der fachdidaktischen Kompetenz der Lehramtsstudierenden. Dazu werden insgesamt zehn neue fachdidaktische Professuren eingerichtet. Das Konzept sieht außerdem den Aufbau einer systematischen professionsbezogenen Beratung für künftige Lehrerinnen und Lehrer vor. Diese orientiert sich an den derzeit in Baden-Württemberg verpflichtenden Career Counselling für Teachers (CCT). Das Bildungswissenschaftliche Studium soll neu ausgerichtet und ausgebaut werden. Insbesondere ein Modul „Inklusion, Diversity und Heterogenität“ kommt dabei neu hinzu, dieses Themenfeld wird auch neu zu einem übergeordneten Ziel der Lehrerbildung erhoben. Insgesamt sollen Theorie und Praxis der Lehrerbildung besser verzahnt werden, unterstützt durch begleitende Forschungen zur Kompetenzentwicklung angehender Lehrer vor, während und nach Einführung der School of Education. Die Begleitforschung wird zunächst in Mathematik und Anglistik durchgeführt.

Die School of Education soll als ein interdisziplinäres und fakultätsübergreifendes Zentrum organisiert werden, mit einem School Board, einem Advisory Board und einem Research Council. Die Voraussetzungen für diese relativ neue Form der Lehrerbildung sind am Standort Tübingen besonders günstig, da es hier bereits mehrere bildungswissenschaftliche Einrichtungen mit großer Expertise gibt. Dazu zählen das Institut für Erziehungswissenschaft, das Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung mit der Graduiertenschule LEAD, das Kompetenzzentrum für Schulpsychologie, das Zentrum für Lehrerinnen- und Lehrerbildung (ZfL), das Internationale Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW), das Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung (ZGD), der Studiengang Deutsch als Zweitsprache (DaZ) sowie das Staatliche Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) Tübingen, das Leibniz Institut für Wissensmedien (IWM) mit dem WissenschaftsCampus: Bildung in Informationswelten und das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in Bonn.

Grundlagen für die Neustrukturierung sind das im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder erfolgreiche Tübinger Zukunftskonzept „Research – Relevance – Responsibility“ (2012), der Bericht der Expertenkommission Lehrerbildung des Landes Baden-Württemberg vom Dezember 2013, aber auch die Analyse bestehender nationaler und internationaler Schools of Education sowie der Ergebnisse von Evaluationen und Absolventenstudien an der Universität Tübingen.

Der Aufbau der Tübinger School of Education steht finanziell auf drei Säulen: Mittel des Landes (insbesondere über die im Frühjahr 2015 erwartete IQF-Ausschreibung zur Lehrerbildung), die Ausschreibung „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundes sowie erhebliche Eigenanstrengungen der Universität Tübingen. Voraussetzung ist die erfolgreiche Antragstellung in den genannten Ausschreibungen.

Der Tübinger Antrag im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beinhaltet eine W3-Professur für Inklusion und Diversity, eine Professur für Didaktik in der Mathematik sowie mehrere Mitarbeiterstellen, um die Fachdidaktik in den drei Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch zu stärken. Hinzu kommen Mitarbeiterstellen, die innovative Projekte in den Bereichen Beratung, Weiterbildung und Begleitforschung unterstützen sollen. Außerdem sind fünf Doktorandenstellen für den Aufbau einer Graduiertenakademie der School of Education vorgesehen. Neben diesem Einzelantrag ist die Universität Tübingen auch maßgeblich an dem Verbundantrag „Netzwerk Lehrerbildung (NELE)“ beteiligt. Gemeinsam mit fünf weiteren Universitäten soll das Netzwerk forschungsbasiert Qualitätsstandards für die Lehrerbildung entwickeln.

Darüber hinaus wird die Universität Tübingen für die School of Education einen Eigenanteil im Umfang von acht fachdidaktischen Professuren sowie zahlreiche Dauerstellen bereitstellen. Zu den vier bereits vorhandenen fachdidaktischen Professuren (Evangelische Theologie, Katholische Theologie, Islamische Theologie und Politikwissenschaft) kommen dann – teilweise durch Umwidmungen – weitere acht hinzu: Biologie, Chemie, Physik, Deutsch als Zweitsprache, Deutsche Literatur, Englisch, Romanische Sprachen und Geschichte. Zusammen mit der Mathematikdidaktik-Professur aus dem BMBF-Antrag sowie einer von der Dieter-von-Holtzbrinck-Stiftung finanzierten Stiftungsprofessur für Wirtschaftsdidaktik, werden zukünftig dann 14 Fachdidaktikprofessuren zur Verfügung stehen.

Die Etablierung der School of Education soll insgesamt in zwei Antragsphasen erfolgen. In der ersten Phase bis 2018 will die Universität Tübingen die School of Education etablieren und die Fachdidaktiken aufbauen. In der zweiten Antragsphase stehen dann die Internationalisierung, die Weiterentwicklung und Vernetzung der dann bereits etablierten Fachdidaktiken sowie eine datenbasierte Weiterentwicklung bzw. Qualitätsverbesserung im Vordergrund.

Maximilian von Platen