Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 5/2015: Forum

Das Tübinger Schlosslabor: Eine der weltweit ersten Forschungsstätten der Biochemie

Neue Dauerausstellung auf Schloss Hohentübingen

„Alle haben im 19. Jahrhundert über diesen Ort geflucht, weil er kalt, umständlich zu erreichen und schon damals weit weg von den anderen Naturwissenschaften war. Aber es war eines der weltweit wenigen biochemischen Labore, die es zu dieser Zeit gab. Daher behielten Wissenschaftler wie Friedrich Miescher Tübingen immer in bester Erinnerung, auch wenn sie längst an anderen Universitäten tätig waren“, erklärt Thomas Beck, Projektkoordinator des Museums der Universität Tübingen MUT für die neue Dauerausstellung "Schlosslabor Tübingen. Wiege der Biochemie" auf Schloss Hohentübingen. In den Vitrinen sind zeitgenössische Präparate, Gefäße und Laborgeräte ausgestellt, die bisher im Fachbereich Biochemie aufbewahrt worden sind. Die Ausstellung solle daran erinnern, dass die Biochemie als Fach zu großen Teilen in Tübingen mitbegründet wurde, sagt Thomas Beck. Das sei in den letzten Jahrzehnten etwas in Vergessenheit geraten. Die Wiedereinrichtung des biochemischen Labors wurde vom Tübinger Biopharmaunternehmen CureVac AG aus EU-Preisgeldern gefördert.

Neben der Geschichte der Biochemie stellt die Dauerausstellung aber auch den Bezug zur Gegenwart her: im weiß gestalteten, linken Teil des Raums können Besucher mit „Smartphone-Mikroskopen“ unter anderem echte Blut-Präparate von Mensch und Frosch vergleichen. Eine 3D-Animation direkt daneben gibt Auskunft zur so genannten Genexpression. „Dabei handelt es sich um den Vorgang, bei dem die Information aus den Genen heraus gebildet wird und dadurch im Grunde alles im Körper bewirkt, was physiologisch vor sich geht - bis hin zu unserer äußeren Körperform“, erläutert Beck. „Alles, was heute in der Biochemie gemacht wird, basiert auf der Genexpression – sie ist die Ursache für das Leben in den Zellen. Daher haben wir diese 3D-Animation als besonderen Hingucker ins Zentrum des modernen Teils der Ausstellung gerückt.“

Im überwiegend dunkel gestalteten Teil der Ausstellung, der sich unter anderem mit historischen Präparaten, Laborgeräten und einem Touchscreen der Geschichte der Biochemie widmet, war ursprünglich auch der Arbeitsplatz von Friedrich Miescher. Der Wissenschaftler entdeckte 1869 im Schlosslabor den Stoff „Nuklein“ – heute als die Nukleinsäuren DNA und RNA bekannt, die Träger der Erbinformation. „Es gibt eine Quelle, laut der Friedrich Miescher von seinem Arbeitsplatz aus den Schlossbrunnen sehen konnte. Daraus haben wir geschlossen, dass er im vom Eingang aus rechten Bereich des Schlosslabors gearbeitet haben muss“, erzählt Beck. In diesem Bereich hat das Team des MUT auch die Hauptattraktion der Ausstellung untergebracht – ein Reagenzglas von Miescher, das DNA-Substanz enthält und von ihm selbst beschriftet wurde.

Doch Friedrich Miescher ist nicht der einzige berühmte Wissenschaftler, der im Zusammenhang mit der Biochemie in der Ausstellung vorgestellt wird. Nachdem die Universität in der ehemaligen Küche des Tübinger Schlosses im Jahr 1818 ein chemisches Labor eingerichtet hatte, wurde es unter Georg Sigwart und Julius Schlossberger zu einer der weltweit ersten Forschungsstätten der Biochemie. Herausragende Forschungen gelangen unter anderem in der Ära von Felix Hoppe-Seyler, der 1861 als Professor berufen wurde. Er untersuchte den roten Blutfarbstoff und gab ihm den Namen „Hämoglobin“.

Derzeit schult das MUT gezielt Biochemie-Studierende, die Führungen durch das Schlosslabor übernehmen werden. „So können wir bei den Führungen nicht nur umfassend über die Geschichte der Biochemie informieren, sondern auch viel zu den wissenschaftlichen Hintergründen sagen“, meint Thomas Beck.

Öffnungszeiten „Schlosslabor Tübingen. Wiege der Biochemie“: Mittwoch bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 19 Uhr. Eintritt frei.

Führungen können bei Sigrid Schumacher gebucht werden: Telefon: 07071-29-77384, E-Mail museum[at]uni-tuebingen.de

Webseite: http://www.unimuseum.uni-tuebingen.de/

Johannes Baral