Die Tübinger Pharmaziestudentin Julia Gabel verbringt ein Auslandssemester in Malawi, im Süden Afrikas. Ein Bericht aus Blantyre im Süden Malawis.
Seit November 2017 bin ich als Austauschstudentin in Blantyre, Malawi - im südlichen Afrika. Zwischen den Pharmazeutischen Instituten der Universität Tübingen und der University of Malawi besteht eine Hochschulpartnerschaft, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert wird.
Die ersten zwei Wochen konnte ich an einem Workshop zum Thema „Traditional and Complementary Medicine in Malawi“ teilnehmen. Im Unterschied zu Deutschland sind pflanzliche Arzneimittel und traditionelle Therapierichtungen in Malawi nicht in das Gesundheitssystem integriert und werden somit nicht reguliert. Dadurch wird die Qualitätssicherung erschwert. Sehr viele Malawis, vor allem aus ländlichen Gegenden, vertrauen eher den traditionellen Heilern als der Schulmedizin. Deshalb ist es wichtig, bei den Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, mit einem solchen Workshop ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch diese traditionellen Medikamente bei den Patienten eine große Rolle spielen.
Nach diesen spannenden Einblicken in traditionelle Arzneimittel wollte ich auch das moderne Pharmaziestudium näher kennen lernen. Ich nehme hier an den Vorlesungen teil, vor allem an denen im vierten Studienjahr. Seit 2006 wird in Malawi ein Bachelorstudiengang Pharmazie angeboten. Der Studiengang besteht aus einem sogenanntem „Pre-Med“-Jahr, vier Jahren Pharmaziestudium und einem Jahr praktischer Ausbildung. Danach können die Studenten sich bei der Aufsichtsbehörde, dem „Pharmacy, Medicines & Poisons Board“ (PMPB), als Apotheker registrieren lassen. Bisher wird in Malawi noch kein Masterstudiengang im Fach Pharmazie angeboten, auch wenn das Interesse daran bei den Studierenden sehr groß ist.
In dem „Pre-Med“-Jahr werden naturwissenschaftliche und medizinische Grundlagen gelehrt. Dabei haben die Pharmaziestudenten gemeinsam Unterricht mit Studierenden aus anderen Studiengängen wie zum Beispiel Medizin und Physiotherapie. Im eigentlichen Pharmaziestudium gibt es dann im ersten Jahr Einführungen in die Pharmazie, Anatomie, Biochemie und Physiologie. Im zweiten Jahr werden vor allem Pharmazeutische Technologie, Pharmazeutische Chemie, Pharmakologie, Mikrobiologie und Pharmakognosie (= Arzneipflanzenwissenschaften) unterrichtet. Im dritten Jahr kommen „Medical Supplies Management“, Pharmazeutisches Recht, Theorie und Praxis von Forschung sowie Pharmazeutische Praxis dazu. Im letzten Jahr steht zusätzlich noch Unterricht in Medizinischer Chemie, Pharmakovigilanz und Klinischer Pharmazie auf dem Lehrplan.
Das daran anschließende praktische Ausbildungsjahr ist in vier Abschnitte unterteilt. Mindestens sechs Monate müssen in einer Krankenhausapotheke verbracht werden, die übrige Zeit in der öffentlichen Apotheke, in der pharmazeutischen Industrie und in der staatlichen Arzneimittelversorgung, dem „Central Medical Stores Trust“.
Das Fach Pharmazeutische Praxis soll schon vor dem praktischen Ausbildungsjahr auf den Praxisalltag in der Apotheke vorbereiten, was ich persönlich sehr sinnvoll finde. Anhand von Fallbeispielen werden verschiedene Patientengruppen und die Behandlungsrichtlinien, die für diese Gruppen gelten, besprochen (Schwangerschaft, Virale Hepatitis etc.).
Bei dem Unterricht in Klinischer Pharmazie war für mich auffällig, dass dieses Fach sehr ausführlich unterrichtet wird und dabei auch viel Zeit in der Krankenhausapotheke und auf den Stationen von Krankenhäusern verbracht wird. Die Studierenden müssen beispielsweise Patienten zu deren Medikationsplan befragen und die erhaltenen Informationen mit der Verschreibung des Arztes abgleichen. Es geht dabei um die korrekte Behandlung typischer Krankheitsbilder, aber auch darum, welche Fehler bei den Medikamentenverschreibungen auftreten können. Auch im praktischen Ausbildungsjahr wird das Augenmerk auf den Medikationsplan gerichtet, wobei die Pharmaziepraktikanten auch eine sogenannte „Patient Journey“ bearbeiten müssen: hier tragen sie die Krankheitsgeschichte ein, analysieren den Medikationsplan eines Patienten und hinterfragen ihn kritisch mit dem Ziel, den Medikationsplan zu optimieren.
Das Fach Medical Supplies Management behandelt alles rund um die Bedarfsplanung, Bestellung, Lagerung und Verteilung von Medikamenten sowie Finanzmanagement. In Malawi kommt es häufiger vor, dass eine Bestellung nicht ankommt oder die Medikamente nicht lieferbar sind. Deshalb ist eine längerfristige Planung und gutes „Medical Supplies Management“ unglaublich wichtig, um die Gesundheitsversorgung sichern zu können. Im Gespräch mit meinen malawischen Kommilitonen wurde deutlich, dass auch sie gerade dieses Fach sehr wichtig finden, da es später einen wichtigen Teil ihres Arbeitsalltags einnehmen wird.
Besonders spannend für die Studierenden im vierten Studienjahr ist die Durchführung einer eigenen Forschungsarbeit, die sich meist mit Fragen der pharmazeutischen Praxis in Krankenhäusern, ländlichen Gesundheitseinrichtungen oder öffentlichen Apotheken beschäftigt. Bei einem dieser Projekte durfte ich teilnehmen und bin mit meinen malawischen Kommilitonen in den ländlichen Distrikt Ntcheu gefahren, um Daten zur Qualität, Verfügbarkeit und Lagerung von Oxytocin in den staatlichen und kirchlichen Gesundheitseinrichtungen zu sammeln. Dabei unterstützten meine Kommilitonen und ich die beiden Doktoranden Nhomsai Hagen (Universität Tübingen) und Felix Khuluza (University of Malawi) bei ihren Doktorarbeiten im Rahmen eines malawisch-deutschen Kooperationsprojektes. Im September 2018 werden dann vier Teilnehmer des neuen Tübinger Kurses „Pharmazie in Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe“ für vier Wochen nach Malawi fahren dürfen, um gemeinsam mit den malawischen Pharmaziestudierenden solche Forschungsarbeiten durchzuführen.
Eine zentrale und positive Erfahrung für mich war, wieviel Wert im Pharmaziestudium in Malawi auf die berufspraktische Fächer und die Ausbildung in der Krankenhausapotheke und den Krankenhausstationen gelegt wird. Jedoch haben meine malawischen Kommilitonen auch bemängelt, dass es - ganz im Gegensatz zum deutschen Pharmaziestudium - so wenige Laborpraktika gibt. Diese kommen unter anderem aufgrund fehlender Materialien und Gelder zu kurz. Andererseits finden die malawischen Studenten es positiv, dass sie nicht nur in naturwissenschaftlich-pharmazeutischen Fächern ausgebildet werden, sondern auch Fähigkeiten im Medical Supplies Management erwerben, die ihnen später die Möglichkeit geben, ihr Wissen in pharmazeutischen Unternehmen, Großhandlungen oder der eigenen Apotheke einzubringen.
Ich bin beeindruckt, wie weit sich das Pharmazeutische Institut in Blantyre seit seiner Gründung im Jahr 2006 schon entwickelt hat.
Julia Gabel
(Erstveröffentlichung in Pharmazeutische Zeitung 163 (7):432-433 (2018); www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=74281)
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