Das Teach@Tübingen-Programm lädt junge internationale Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zum Lehren und Forschen in Tübingen ein. Dafür bieten sie neue Themen und Unterricht in einer Fremdsprache. Das Programm richtet sich an Postdocs und fortgeschrittene Doktoranden, die über ein Institut oder eine Partnerschaft bereits eine Verbindung nach Tübingen haben. T@T Dozenten und Dozentinnen unterrichten mindestens zwei Semesterwochenstunden, normalerweise auf Englisch.
Die spanische Bioarchäologin Marta Díaz-Zorita Bonilla war die erste Wissenschaftlerin, die im September 2012 als Teach@Tübingen-Dozentin nach Tübingen kam. Seitdem arbeitet sie mit Professor Martin Bartelheim am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters und mit Professor Hervé Bocherens im Fachbereich Geowissenschaften zusammen.
Marta Díaz-Zorita Bonilla hockt in einer kleinen Höhle, die in einer Felswand auf der Mittelmeerinsel Menorca versteckt liegt. Sie ist von Knochen verschiedener urgeschichtlicher Generationen umgeben, die dort über Jahrhunderte nach dem Tod deponiert wurden. Die Wissenschaftlerin ist spezialisiert auf die Bestattungsmuster der prähistorischen Bevölkerungen der Iberischen Halbinsel; sie rekonstruiert die Riten und analysiert die Populationen anhand der Knochen. Denn anhand von ihnen kann man ein demographisches Profil des Alters, des Geschlechts und des Gesundheitszustands der Toten erstellen sowie biochemische Analysen durchführen, die Aufschluss zur Ernährung und Beweglichkeit der Populationsgruppe bieten.
Díaz-Zorita Bonilla studierte Archäologie und Urgeschichte an ihrer Heimatuniversität im spanischen Sevilla. Ihren Master hat sie 2005 in Osteoarchäologie im englischen Southampton gemacht; darauf folgten ein Job als Archäologin in Irland und ein Stipendium an der Arizona State University. 2012 schrieb sie ihre Doktorarbeit in Bioarchäologie an der Durham University, einer Partnerinstitution der Universität Tübingen im Matariki Network of Research Universities. Dort erfuhr sie von dem Teach@Tübingen-Programm.
“Im Juni 2012 habe ich mich beworben, im August kam der Anruf und im September fing ich an” sagt die Prähistorikerin. Nach sechs Monaten wurde ihr ein weiterer Vertrag für den gleichen Zeitraum angeboten. Als T@T-Dozentin unterrichtete sie “Prehistory of the Iberian Peninsula: A Bioarchaeological Approach”; “Cultural Contacts in the Western European Iron Age” und “Introduction to Bioarchaeology.” Danach arbeitete sie als Laborassistentin für Professor Hervé Bocherens und in einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1070 RessourcenKulturen.
Ihre Söhne kamen 2014 und 2016 zur Welt; ihr Mann, ebenfalls spanischer Archäologe, schreibt in Tübingen seine Doktorarbeit. Díaz-Zorita Bonilla bekam ein Habilitationsstipendium des Brigitte Schlieben-Lange-Programms für Akademikerinnen mit Kindern. Jetzt betreibt sie ihre Forschung bis 2021 als Postdoc beim SFB RessourcenKulturen.
Als sie 2012 in Tübingen ankam, sprach Díaz-Zorita Bonilla kein Deutsch. “Deutschland war eine Herausforderung. Mein erster Vertrag lief sechs Monate. Es war ein großes Risiko, für nur sechs Monate hierher zu ziehen. Ich musste mich um etwas Weiteres kümmern, sonst wäre ich draußen gewesen… Anfangs mangelte es mir an Orientierung.” Inzwischen gibt es umfangreiche Orientierungsveranstaltungen und Betreuung für Teach@Tübingen-Dozenten und Dozentinnen, die sich wahlweise für ein oder gleich zwei Semester bewerben können.
Seit 2013 hat Díaz-Zorita Bonilla mehrere Module unterrichtet, die Knochen und andere Überreste als Informationsquelle zur vorgeschichtlichen Mobilität, Ernährung und Lebensweise im Fokus haben. In einem ihrer Einführungskurse lernen die Studierenden wichtige naturwissenschaftliche Methoden, wie zum Beispiel die Entwicklung einer Probenstrategie für Isotopenanalysen. Seitdem sie in Tübingen ist, hat sie mehrere Projekte angestoßen, wie zum Beispiel das Projekt “Mobilität von Menschen und Tieren auf der Iberischen Halbinsel in Spätneolithikum und Frühbronzezeit”, das im Young Scientist Program, RISC, ausgewählt und gefördert wurde.
Die Archäologin meint, T@T sei ein hervorragendes Programm, “um neue Forscher und neue Spezialgebiete an die Universität zu holen.” Außerdem zwinge das Programm die Studierenden, auf Englisch Vorlesungen zu hören und Prüfungsleistungen zu machen. “Sie entschuldigen sich für ihr Englisch, aber sie sind großartig, und es ist eine hervorragende Übung für eine wissenschaftliche Karriere. Vor allem auf dem Master-Niveau ist es sehr wichtig, auf Englisch zu unterrichten. Die Studierenden brauchen es für ihre Zukunft.”
Amanda Crain