Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2019: Forum

Institutsgeschichte(n). Forschendes Lernen anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Kunsthistorischen Instituts

Studierende erarbeiten Online-Ausstellung zur Institutsgeschichte

Konrad Lange lehrte Ästhetik und wetterte gegen den modernen Film. Georg Weise trug mit seinen Forschungsreisen wesentlich dazu bei, die spanische Plastik der Wissenschaft zu erschließen und besuchte nebenbei Stierkämpfe. Die Berufung Hubert Schrades wiederum spiegelt den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der noch jungen Bonner Republik wider. Dies sind nur drei Details aus der Geschichte des Kunsthistorischen Instituts, mit der sich Bachelor-Studierende im Rahmen eines Praxisseminars auseinandergesetzt haben. Anlass hierfür war das in diesem Jahr anstehende 125-jährige Jubiläum des Instituts, das 1894 mit der Berufung Konrad Langes gegründet wurde.

Mit dem Ziel, mehr als das bereits Bekannte über die frühen Jahre der Kunstgeschichte in Tübingen herauszufinden, begaben sich die Studierenden an die Recherche. Bereits im Vorfeld waren in gemeinsamen Diskussionen Themenfelder festgelegt worden, die genauer in den Blick genommen werden sollten. Dazu zählen etwa Lehre und Forschung der ersten Lehrstuhlinhaber Lange und Weise, die Vernetzung des Instituts mit anderen Tübinger Einrichtungen oder auch das in Tübingen bereits früh erkennbare Interesse an zeitgenössischer Kunst. Die wichtigsten Anlaufstellen waren das Universitätsarchiv, das Stadtarchiv Tübingen und das Historische Fotoarchiv Georg Weise. Im Uni-Archiv fanden sich Personal- und Verwaltungsakten sowie Korrespondenzen und Nachlässe, die Licht auf die Konsolidierung des noch jungen Faches Kunstgeschichte werfen. Mithilfe des im Stadtarchiv vorhandenen Materials ließ sich die Bedeutung des Instituts in der Tübinger Kulturlandschaft nachzeichnen. Dabei erwiesen sich insbesondere die Mappen mit Zeitungsausschnitten und das Bildarchiv als aufschlussreiche Quellen. Die Studierenden haben sich eigenverantwortlich in den Archiven bewegt, Dokumente in Findbüchern gesucht, bestellt und gesichtet, sie konnten Erfahrungen im Umgang mit und in der Auswertung von historischen Originalen sammeln. Geübt wurden aber auch Geduld und Zeitplanung, denn die Entzifferung der zahlreichen handschriftlichen Aufzeichnungen war eine Herausforderung und oftmals zeitaufwändiger als gedacht.  

Einen Einblick in die Forschung der 1920er- bis 1940er- Jahre bot das von Georg Weise aufgebaute Fotoarchiv. Weise folgte 1921 auf Konrad Lange als Ordinarius für Kunstgeschichte und hinterließ dem Institut eine umfangreiche Sammlung an Fotografien, die zu Lehr- und Forschungszwecken genutzt wurden. Heute wird das Archiv in einem Kellerraum des Bonatzbaus gelagert und ist über die Graphische Sammlung des Kunsthistorischen Instituts zugänglich. Im Studiensaal der Graphischen Sammlung konnten die Projektgruppe in Fotokisten stöbern und Georg Weises Arbeitsskizzen zu Grundrissen und Gewölben spanischer Kathedralen anschauen. An Weise gesandte Feldpostkarten zeugen von Kriegszerstörungen in Frankreich, private Fotografien zeigen Weise und seinen Assistenten bei Fotokampagnen und Stierkämpfen. 

Nachdem die Phase der Recherche beendet ist, die Ergebnisse zusammengetragen und ausgewertet wurden, steht nun der letzte Schritt bevor: die Publikation der Funde in einer Online-Ausstellung. In Zusammenarbeit mit dem eScience-Center der Universität Tübingen wird derzeit eine Internetseite entwickelt, an deren Gestaltung die Seminargruppe aktiv mitgewirkt hat. Während auf der einen Seite also programmiert und getestet wird, schreiben und redigieren die Studierenden Texte für die Präsentation und sammeln Bildmaterial.

Die Website soll am 5. Juli 2019 anlässlich der Feierlichkeiten zum Jubiläum freigeschaltet werden und fortan dazu dienen, mittels der präsentierten "Institutsgeschichte(n)" Schlaglichter auf die Geschichte des Instituts zu werfen und das Kunsthistorische Institut Tübingen so in der Wissenschaftsgeschichte zu verorten. Eine vollständige Aufarbeitung der Geschichte des Instituts war bei der Konzeption des Seminars von vornherein nicht vorgesehen. Vielmehr sollen Geschichten erzählt und einzelne Themen beleuchtet werden. Mitgedacht wurde aber von Beginn an die Möglichkeit, die Ausstellung erweitern zu können, neue Themenfelder zu erschließen und mit den Institutsgeschichten näher an die Gegenwart heranzurücken. Das Medium der Online-Präsentation gibt dem Projekt die Möglichkeit, sich mit der Zeit zu entwickeln und zu wachsen. 

 

Daniela Wagner